Jugendliche fühlen sich in der Krise unverstanden

Hildesheim – Jugendliche fühlen sich in der Corona-Krise einer neuen Studie zufolge zu wenig beachtet und in ihren Sorgen zu wenig wahrgenommen. Fast die Hälfte der Befragten bezweifelt, dass ihre Sorgen gehört werden, wie die bundesweite Studie «JuCo» der Universität Frankfurt und der Universität Hildesheim ergab.

Die Lage sei paradox: Einerseits seien Schulen seit Wochen geschlossen und der vertraute Alltag von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt. Andererseits hätten Jugendliche den Eindruck, ausschließlich als Schülerinnen und Schüler wahrgenommen zu werden. Zu politischen Entscheidungen fühlten sie sich nicht gehört.

Die Sorgen von Jugendlichen werden kaum wahrgenommen

Jugendliche wollten nicht nur auf ihre Rolle im sogenannten «Homeschooling» reduziert werden, sagte Tanja Rusack aus dem Forschungsteam. Ihr veränderter Lebensalltag und ihre Sorgen würden kaum wahrgenommen. Johanna Wilmes, die ebenfalls im Verbund arbeitet, sagte: «Die Jugendlichen sehen nicht, dass sie mit ihren Anliegen Gehör finden, die Beteiligungsformate von jungen Menschen scheinen nicht krisenfest.» Stattdessen herrsche der Eindruck, dass gegenwärtig die Erwachsenen allein entscheiden, wie in der Krise der Alltag zu gestalten ist.

Insgesamt beteiligten sich nach Forscherangaben mehr als 6000 Personen. Über 5100 Online-Fragebögen von Menschen zwischen 15 und 30 Jahren wurden ausgewertet, die meisten sind zwischen 15 und 21 Jahre alt. Die «JuCo»-Studie ist ein Ergebnis des Forschungsverbunds «Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit», der aus dem Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim und dem Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Universität Frankfurt in Kooperation mit der Universität Bielefeld besteht.

Eine weitere bundesweite Studie ist «KiCo», für die Eltern mit Kindern unter 15 Jahren befragt wurden. Ergebnisse dazu sollten in den kommenden Wochen veröffentlicht werden.

Jugendliche vermissen Kontakt zu Freunden

Zwar sind junge Menschen der Untersuchung zufolge mit der Stimmung zu Hause überwiegend zufrieden – mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, dass es dort immer jemanden gebe, der sich um sie kümmere. Für 4,8 Prozent trifft dies nicht zu. Bei der Frage des Kontakts mit Freunden fiel die Zufriedenheit aber deutlich geringer aus. Auch mit der Art, wie sie ihre Zeit verbringen, äußern sich die Jugendlichen zu der Zeit vor der Pandemie deutlich zufriedener. Und knapp ein Viertel der Befragten (23,6 Prozent) gab an, nicht den Eindruck zu haben, dass die eigenen Sorgen gehört werden. Weitere 22 Prozent stimmen der These, dass ihre Sorgen gehört werden, «eher nicht» zu.

Die Jugendlichen hätten die Befragung genutzt, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, urteilten die Forscher. «Dies sehen wir auch daran, wie viele Jugendliche die Freitextfelder ausgefüllt haben, die es auch im Fragebogen gibt», sagte Mitarbeiterin Anna Lips. «Schon daran kann abgelesen werden, wie groß das Bedürfnis ist, gehört zu werden.» Einer der Befragten schrieb beispielsweise: «Wir Jugendlichen werden doch nur als Schüler gesehen. Wir sollen lernen und lernen und lernen. Warum wird darüber diskutiert, die Sommerferien zu kürzen. Politiker denken wie Kapitalisten.»

Es fehlt eine klare Perspektive

Ein anderer schrieb: «Von jetzt auf gleich nicht mehr raus zu dürfen und seine Freunde nicht mehr sehen zu können, ist eine Zumutung! Man vereinsamt regelrecht, obwohl die Familie da ist.» Ein dritter Jugendlicher, der das Schwimmen und die Wettkämpfe vermisst, schrieb: «Ich habe das Gefühl, dass meine Ängste nicht verstanden werden. Mir fehlt ein Plan, wie es für mich und meine Wünsche weitergeht.» Netzwerke wie Sportvereine und die Freundschaftsnetzwerke seien von jetzt auf gleich zum größten Teil weggebrochen, urteilten die Forscher. Die digitale Variante, Freundschaften zu pflegen, werde oft als nicht ausreichend wahrgenommen.

Denn: Junge Menschen verbringen zwar nach Angaben der Forscher viel Zeit mit Medien. Sie wollten auf diese Weise aber vor allem ihre Freundschaftsbeziehungen organisieren – und sie nicht ausschließlich darüber aufrechterhalten.


(dpa)

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