Der Große Zapfenstreich für Bundespräsident a.D. Christian Wulff – Der Abschied eines Gescheiterten

So umstritten wie seine letzten Monate im Amt waren, so umstritten ist auch heute der endgültige Abgang des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Mit einem Großen Zapfenstreich wird am Donnerstagabend der von Skandalen gestürzte Politiker verabschiedet. Im ZDF Livestream können Sie die Zeremonie heute ab 18.00 Uhr live verfolgen.Die Kontroversen um Christian Wulff reißen nicht ab. Auch seine offizielle Abschiedszeremonie, der Große Zapfenstreich, wird von der Kritik seiner Gegner und Debatten um die Rechtmäßigkeit seiner Ansprüche überschattet.

Kontroversen begleiten Christian Wulff auch nach seinem Rücktritt

Als selbstlosen Akt hatte Christian Wulff seinen Rücktritt in seiner Rede am 17. Februar dargestellt. Er wolle beiseite treten, um den Weg möglichst schnell für einen Nachfolger frei zu machen. Sicher hatte das damalige Staatsoberhaupt nicht mit dem Ausmaß an Kritik und Kontroversen gerechnet, die ihm auch in seinem Abschied noch entgegenschlagen.

Großer Zapfenstreich für Christian Wulff im Park von Schloss Bellevue am Donnerstagabend

Am Donnerstagabend werden zum Großen Zapfenstreich im Park von Schloss Bellevue unter anderem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die meisten ihrer Minister erwartet. Die militärischen Feier zum Abschied des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff ist die höchste militärische Zeremonie und wird traditionell am Abend abgehalten. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler sowie der ehemalige CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wurden beide mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Nun soll diese Ehre auch Christian Wulff zuteil werden. Doch ob der Ex-Bundespräsident diese auch verdient hat, daran scheiden sich die Geister.

Zapfenstreich für Wulff ohne Gäste: Es hagelte Absagen

Aus Protest gegen die umstrittene Ehrung eines umstrittenen Politikers bleiben Spitzenpolitiker der Oppositionsparteien der Abschiedsfeier fern. Auch Wulffs mutmaßlicher Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, wird nicht anwesend sein. Gastgeber am Donnerstagabend auf Schloss Bellevue ist der bayerische Minsterpräsident Horst Seehoder (CSU), der als Präsident der Bundesversammlung zwischenzeitlich die Position des Bundespräsidenten übernommen hat.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, ging sogar soweit Christian Wulff vorzuwerfen er schade der Bundeswehr mit der militärischen Verabschiedung. Gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ sagte Künast, Wulff müsse sich zu seinem Ehrensold äußern: „Wir alle haben das Gefühl, dass Herr Wulff mit 52 Jahren nach 20 Monaten Amtszeit zu viel Geld bekommt.“ Das Bundespräsidialamt hatte Christian Wulff den vollen Ehrensold in Höhe von 199 000 Euro pro Jahr nach nur knapp 600 Tagen im Amt zugesprochen. Da Wulff aus politischen Gründen zurückgetreten ist, stehe ihm die lebenslange Präsidenten-Rente zu.

Vuvuzela-Proteste gegen den Großen Zapfenstreich angekündigt

Kritiker des ehemaligen Staatsoberhauptes wollen gegen den Großen Zapfenstreich mit ihren Vuvuzelas anblasen. im Internet wurde zur „Wulffuzela-Attacke“ aufgerufen. Am Donnerstagabend wollen die Gegner vor dem Schloss Bellevue in Berlin eine Stunde lang die seit der Fussballweltmeisterschaft in Südafrika 2010 bekannten Lärminstrumente anstimmen.

Es gibt nicht nur Kritik für den Bundespräsidenten a.D.

Der CDU-Politiker Peter Hintze, der Wulff bereits in der ARD-Talkshow von Günther Jauch in Schutz genommen hatte, hält die Empörung über den militärischen Abschied von Wulff für übertrieben. „Ich finde, das ist aus dem Verhältnis herausgeraten“, sagte der Wirtschafts-Staatssekretär im Deutschlandfunk.

Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, Kenan Kolat, fand postive Worte über Wulff. Im Gespräch mit Radioeins von Radio Berlin Brandenburg (rbb) würdigte er Wulffs Haltung zum Islam. Mit seiner Äußerung, dass der Islam zu Deutschland gehöre, habe Wulff erfolgreich zur kulturellen Vielfalt der Gesellschaft beigetragen, sagte Kolat.

Wie man es nimmt, im Negativen, wie im Positiven, Wulff wird immer entweder auf diesen einen Satz oder auf seine Skandale reduziert werden. Nichts sonst wird bleiben vom ersten Bundespräsidenten der nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, der mit seiner 17-jährigen Tochter Anna 2010 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem stand und der für ein neues Deutschland hätte stehen können – ein Land geprägt von Toleranz und Verständnis für andere Kulturen, das sich selbstbewusst aus dem Sarrazin-Sumpf herauszuziehen weiß. Ein modernes offenes Land, indem ein Politiker über den Islam sprechen kann ohne eine wochelange Debatte auszulösen, ob er dafür den richtigen Zeitpunkt gewählt hat. Christian Wulff hat sein Land enttäuscht. Nicht durch eine eventuelle Vorteilsnahme oder Vergabe an Gronewold oder seine anderen Skandale. Sondern weil er uns durch seinen persönlichen Skandal die Chancen nimmt, für die er hätte stehen können. Und so sollten die Deutschen nicht gegen seinen Ehrensold oder den Zapfenstreich zu Felde ziehen, sondern einen Präsidenten ins Amt heben, der Wulffs unerfüllte Versprechen einlöst.

Das ZDF übertragt den Großen Zapfenstreich am 8. März ab 18.00 Uhr live. Im Internet können Sie die Zeremonie außerdem im Livestream beim ZDF verfolgen. Den Livestream finden Sie hier.