Wie sich SUVs gegen die Klimakritik wehren

München – Irgendetwas stimmt da nicht: Auf der einen Seite wird keine Fahrzeuggattung so sehr als unvernünftig und überdimensioniert kritisiert wie das SUV. Und auf der anderen Seite erfreut sich keine andere Kategorie derart großer Beliebtheit.

Über eine Millionen SUVs und Geländewagen sind dem Kraftfahrtbundesamt zufolge 2019 in Deutschland neu auf die Straße gekommen, womit jeder dritte Neuwagen aus dieser Kategorie stammt. Steuern wir deshalb mit Vollgas in die Klimakrise und den Weltuntergang?

Eher nein – sagen Experten wie Arthur Kipferler von der Strategieberatung Berylls in München. «Mittlerweile sind sehr viele Fahrzeugmodelle auf dem Markt, die nur dem Namen nach SUV sind.» Sie unterschieden sich von ihren technisch ähnlichen Geschwistern lediglich durch eine robustere Aufmachung, mit umlaufenden Kunststoffplanken und etwas mehr Bodenfreiheit, haben aber vielfach gar keinen Allradantrieb.

Wer kauft Geländeautos ohne Allradantrieb?

Warum sie trotzdem gekauft werden? Weil sie die begehrte erhöhte Sitzposition und die damit verbundene bessere Rundumsicht bieten, die immer wieder als eines der Hauptkaufkriterien genannt wird, sagt Kipferler. Zudem sind sie in der Regel etwas geräumiger und variabler als konventionelle Autos und werden so zur Alternative für Kombi und Van. «Diese Modelle finden sich in den kleinen und kompakten Fahrzeugsegmenten und lassen sich entsprechend sparsam bewegen.»

Allerdings geht mit dem Platzbedarf oft ein größeres Format einher. «Und genau das wird von den Skeptikern als eines der zentralen Probleme angesehen», sagt der Berylls-Experte. «Denn obwohl es nicht immer zutrifft, assoziieren sie mit größeren Autos mehr Verbrauch und damit mehr Emissionen.» Das sei allerdings ein Vorwurf, den man im Zusammenhang mit den ehemals beliebten, aber meist gleich großen Vans nie gehört habe. «Damals war das Umweltbewusstsein offenbar noch weit weniger ausgeprägt.»

Die Hersteller elektrifizieren ihre Palette

Das haben mittlerweile auch die Hersteller erkannt und suchen deshalb einen Ausweg aus der Zwickmühle. Im großen Stil haben sie begonnen, ihre SUVs zu elektrifizieren und bieten vom Mild-Hybrid bis zur reinen Elektroversion zahlreiche Modelle an, die zum Teil deutlich weniger verbrauchen als konventionelle Fahrzeuge gleichen Formats.

Das gilt aktuell insbesondere für die Importeure und die Nobelmarken: Audi Q5 und Q7, Mercedes GLE und demnächst auch der GLA, BMW X3 und X5 oder Porsche Cayenne können alle zumindest ein gutes Stück weit lokal emissionsfrei fahren und kommen so auf Normverbrauchswerte unter zwei Litern. Toyota zum Beispiel bietet den C-HR mit gleich zwei Hybridversionen an und baut im RAV4 bald einen Pufferakku mit Steckdosenanschluss ein. Kia hat beim Niro gleich Hybrid, Plug-in und eine reine E-Version im Angebot. Und auch das Schwestermodell Hyundai Kona fährt mit Hybrid oder Batterie-Antrieb gegen die Klimakritik.

Die gleiche Strategie bedienen die PSA-Marken Peugeot und DS, die ihre kleinen Geländewagen DS3 Crossback und 2008 jetzt mit Benziner, Diesel oder E-Antrieb auf den Markt bringen. «Wir lassen den Kunden die Wahl und machen allen das passende Angebot, egal ob sie traditionelle Technik schätzen oder in die neue Zeit fahren wollen», sagt Peugeot-Chef Steffen Raschig.

Viele Hersteller starten ihre erstes E-Auto als SUV

Und aus gutem Grund sind mit dem Hyundai Nexo und dem Mercedes GLC auch zwei der vier weltweit verfügbaren Brennstoffzellen-Fahrzeuge SUVs. Das gilt auch für die ersten Elektroautos, mit denen die etablierten Hersteller die Verfolgung des Pioniers Tesla aufgenommen haben: Audi E-Tron, Jaguar I-Pace, Mercedes EQC sind nicht umsonst hochbeinig und haben eine Crossover-Karosserie.

«Wenn es um einen niedrigen CO2-Ausstoß geht, kommt man um ein elektrifiziertes SUV nicht herum», sagt Kipferler: «Trotz aufwendiger Batterietechnik können sie, aufgeladen mit reinem Ökostrom, schon nach wenigen Jahren eine bessere Schadstoffbilanz aufweisen als vergleichbare Verbrenner.» Und der Plug-in-Hybrid erlaub für viele tägliche Fahrten einen rein elektrischen Betrieb und empfehle sich so als Brückentechnologie.

Pubertäres Imponiergehabe

Aber egal ob Mild-, Voll- oder Plug-in-Hybrid, ein voll elektrischer Antrieb oder gar die Brennstoffzelle – an der Stimmung gegenüber dem SUV ändert das wenig, hat Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer beobachtet: «Es geht nicht um gute oder böse SUV, sondern um die soziale Akzeptanz», sagt der Professor an der Universität Duisburg-Essen und sieht Parallelen zu den so genannten Poser-Autos, die mit künstlichen Fehlzündungen Lärm machen um Aufsehen zu erregen.

«Nicht Bewunderung, sondern Anstößigkeit ist die Folge», sagt der Experte und geißelt das unabhängig vom Alter der Käufer als pubertäres Imponiergehabe.

Das gilt nicht zuletzt auch für die Größe des Autos: «Geländewagen von mehr als fünf Metern Länge gehen fast automatisch auf Konfrontationskurs mit der öffentlichen Meinung». Deshalb sollte man bei Autos wie einem BMW X7, Mercedes GLS, Cadillac Escalade oder Audi Q8 lieber zweimal überlegen, ob man diese Größe wirklich braucht.

Aber selbst diesen Geländegiganten gewinnt Dudenhöffer etwas Gutes ab. Dank der CO2-Grenzwerte für den Flottenverbrauch, die alle Hersteller zur Kompensation konventioneller Modelle zum forcierten Absatz von Akkuautos zwingen, tun auch die Geländegiganten indirekt etwas Gutes fürs Klima. «Denn jedes neue SUV in Deutschland erhöht den Druck, Elektroautos verkaufen zu müssen, und beschleunigt so die Verkehrswende.»


(dpa/tmn)

(dpa)