Was in Zeiten von Corona aus der Liebe wird

Hamburg – Das Coronavirus bestimmt seit Wochen das Leben – und den Beziehungsalltag. Viele Paare haben mehr Zeit miteinander verbracht als sonst. Das läuft nicht immer reibungslos. Jeder Vierte (27 Prozent), der in einer Partnerschaft lebt, ist unsicher, ob seine Beziehung die Corona-Krise unbeschadet übersteht. Das hat eine Umfrage der Online-Partnervermittlung Parship unter rund 1000 Bundesbürgern ergeben.

Es sei wichtig zu verstehen, warum es uns so geht, meint Ann-Marlene Henning. «Körper und Gehirn sind auf Gefahr eingerichtet, also Kampf oder Flucht», sagt die Sexualtherapeutin aus Hamburg. Flucht war die vergangenen Wochen allerdings nicht möglich. Stattdessen heißt es für viele 24/7 Homeoffice, neben sich die bessere Hälfte und eventuell Kinder. «Da wird der Partner auch mal zum Feind.»

Paartherapeut Clemens von Saldern aus Berlin plädiert deshalb für Nachsichtigkeit. Sein Tipp: Mühe geben, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, wie es dem Partner geht – und einem selbst.

Barbara Lubisch empfiehlt, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. «Haben Sie Verständnis für Ihren Partner und für missmutige Gefühle», rät die stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung.

Gemeinsame Projekte suchen

Gegen die Langeweile und das Gedankenkarussell regt von Saldern an, sich Projekte zu suchen, Dinge für die bisher keine Zeit war – gerne gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin. Allerdings gilt: sich Freiraum zu schaffen und diesen zu schützen, halten die Experten für extrem wichtig. Wenn möglich, auch räumlich.

Der eine erholt sich vielleicht besser bei einem Workout im Wohnzimmer, während der andere lieber spazieren geht. «Es ist wichtig, nach Möglichkeiten zu suchen, wie jeder etwas Freiraum auch ohne Partner pflegen kann», meint Psychotherapeutin Lubisch.

Zeit für Beziehungsarbeit

Vielleicht können Paare diese gemeinsame Zeit auch für Positives nutzen? Fragen Sie sich: Kann ich etwas angehen, was ich schon lange ändern wollte? Das kann auch die Partnerschaft betreffen. Spiele mit Frage-Kärtchen oder Aufgaben können in der Beziehungsarbeit helfen und sie ungezwungener werden lassen.

Es kann hilfreich sein, bewusst Zeit auf schöne Weise miteinander zu gestalten und beispielsweise an frühere Gemeinsamkeiten wieder anzuknüpfen: «Das könnten lange Wanderungen mit Picknick sein, gemeinsames Musik-Hören oder Filme-Ansehen oder Fotobücher von gemeinsamen Urlauben gestalten», zählt Lubisch auf.

Hilfe bei häuslicher Gewalt

Was aber, wenn das alles nicht hilft, der Ton rauer wird, die Aggression steigt? Die lange Zeit der Kontaktsperren hat in vielen Partnerschaften für erhöhtes Streitpotenzial gesorgt. Statistiken zeigen eine Zunahme häuslicher Gewalt.

Wer selbst aggressiv wird, dem rät Lubisch: «Unterbrechen Sie die Situation!» Man sollte sich stoppen, aus dem Zimmer gehen oder eine Runde um den Block, Freunde anrufen oder die Telefonseelsorge.

Wer von Gewalt in der Beziehung betroffen ist, kann selbst vielleicht keine Hilfe holen. «Man wird ja mitunter ständig beobachtet», erklärt Henning. Sie appelliert daher an Freunde oder auch Nachbarn, wachsam zu sein und im Notfall die Polizei zu rufen.


(dpa/tmn)

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