Medienregeln für jüngere Geschwister festlegen

Stuttgart – Eine halbe Stunde am Tag fernsehen, unter Aufsicht am Computer spielen und zusammen mit den Eltern das Internet kennenlernen – bei dem oder der Erstgeborenen ist die Medienerziehung fast noch ein Kinderspiel. Beim zweiten und dritten Kind sieht das schon anders aus.

Die kleinen Geschwister lernen elektronische Medien oft früher kennen als die älteren. In der FIM-Studie 2016, einer Untersuchung zur Kommunikation und Mediennutzung in Familien, bestätigen das 37 Prozent der befragten Eltern.

Fernseher, Computer und Internetzugang gehören für die Kleinen zum Alltag. Diese Mediengeräte sind heutzutage in nahezu allen Haushalten mit Kindern vorhanden. 84 Prozent der Haushalte verfügen außerdem über ein Smartphone, in drei von vier Haushalten finden sich Spielkonsolen. Das geht aus der KIM-Studie 2016 hervor, der Basisstudie zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger in Deutschland.

Verglichen mit 2014 hat vor allem die Zahl der Smartphones und Tablets zugenommen – um jeweils neun Prozentpunkte. «Die Kleineren bekommen mit, was es für Möglichkeiten gibt, und das weckt Begehrlichkeiten», sagt Thomas Rathgeb von der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK). Er leitete die FIM-, die KIM- und auch die miniKIM-
Studie, die den Medienumgang Zwei- bis Fünfjähriger in den Blick nimmt.

Fernsehen ist für Kinder nach wie vor eines der wichtigsten Medien. Laut KIM-Studie schätzen Eltern die Nutzung ihrer 6- bis 13-jährigen Kinder auf durchschnittlich 88 Minuten. Bei Zwei- bis Fünfjährigen liegt die Schätzung laut miniKIM-Studie 2014 bei 43 Minuten.

Tendenziell nutzen Kinder elektronische Medien auch immer früher, und das sehen viele Experten kritisch. Entwicklungspsychologisch betrachtet ist es für Kleinkinder am wichtigsten, ihre Welt mit allen Sinnen zu erfahren. Mit bewegten Bildern im Film oder Fernsehen können sie meist noch nichts anfangen und sind davon schnell überfordert.

«Kinder unter drei Jahren sollten ihre Umgebung vor allem durch Begreifen entdecken und nur in beschränktem Maß auf einem Bildschirm herumwischen», sagt Verena Weigand. Sie ist Vorsitzende des Vereins Programmberatung für Eltern, der die Website und die Broschüre «Flimmo» mit Fernsehtipps für Eltern und Kinder herausgibt.

Initiativen wie «Flimmo» empfehlen daher, Kinder frühestens ab dem dritten Lebensjahr ans Fernsehen heranzuführen und mit kurzen Filmen oder Sendungen anzufangen. Für Dreijährige sind 20 Minuten Bildschirmzeit schon viel, und auch viele Inhalte sind für sie noch nicht geeignet. «Man sollte durch gemeinsames Schauen herausfinden, was das Kind gut verarbeiten kann und was ihm gefällt», sagt Rathgeb.

Dafür müssen sich Eltern einen Überblick verschaffen. Wer die Filme, Sendungen oder Computerspiele kennt, kann besser erklären, warum etwas erlaubt ist – oder eben nicht. «Eltern sollten Mediennutzung nicht einfach geschehen lassen, sondern bewusst entscheiden und besprechen, was die Kinder sehen dürfen», meint Rathgeb.

Das ist zeitaufwändig, erst recht wenn für Geschwister verschiedene Regeln gelten. Dass Anspruch und Wirklichkeit oft auseinanderklaffen, wissen auch die Medienexperten. Kristin Langer, Mediencoach bei der Initiative «
Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht», rät Eltern zu Gelassenheit: «Man muss sich nicht zu große Sorgen machen, wenn unterschiedlich alte Geschwister auch mal gemeinsam eine Sendung oder einen Film schauen.» Sitzt das jüngere Kind ausnahmsweise etwas länger vor dem Bildschirm, ist das kein Drama.

Problematisch wird es, wenn die Kleinen etwas sehen, das sie ängstigt oder verstört. «Eine zeitliche Überforderung verkraftet ein Kind eher, als unangemessene Inhalte», so Langer. Beim gemeinsamen Schauen oder Daddeln sollten Eltern sich daher am jüngeren Kind orientieren.

Generell gilt aber: Ältere dürfen mehr und andere Dinge als Jüngere. Daher sollten sich Zeiten und Inhalte immer nach dem Alter des Kindes richten – und natürlich nach seinen individuellen Vorlieben. Praktisch sind zum Beispiel Filme auf DVD oder im Internet, die zeitunabhängig geschaut werden können. Dann darf der Große einen Film sehen, wenn das Geschwisterkind mit anderen Dingen beschäftigt ist.

Mehr noch als an den Geschwistern orientieren sich die Kleinen aber an ihren Eltern. «Sie sind wesentliche Schlüsselpersonen, die vorleben und mitbestimmen, wie Kinder die Medienwelt und die digitale Welt entdecken», betont Langer. Öfter mal das Smartphone in der Tasche lassen – das ist also auch für Eltern eine gute Idee.


(dpa/tmn)

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