Im E-Auto fühlt sich vieles anders an

Berlin – Das erste Mal vergisst man nie. Denn egal ob kleiner Stadtflitzer oder gewichtiger Geländewagen – wann immer ein Elektroauto startet, erlebt der Fahrer einen Kick, wie ihn sonst nur Sportwagen bieten.

Auf den ersten Metern hat selbst gegen einen kleinen Stromer wie den Peugeot e-208 sogar ein Porsche keine Chance. Und obwohl das Tesla Model X doppelt so schwer und alles andere als windschnittig ist, hängt es an der Ampel sogar einen McLaren ab. Dass dieser Sprint bei den Stromern auch noch in absoluter Stille erfolgt, macht die Raserei umso eindrucksvoller.

Die volle Kraft packt schon aus dem Stand zu

Dass die Stromer so gute Sprinter sind, ist technisch begründet, erläutert Stefan Weckbach, der für Porsche die Taycan-Entwicklung verantwortet hat. Anders als Verbrenner entwickeln Elektromotoren ihre maximale Anzugskraft von der ersten Umdrehung an und können deshalb ohne Gedenksekunde starten. Allerdings ist die Beschleunigung nicht linear und lässt je nach Marke und Modell schnell spürbar nach.

Und egal wie schnell ein Stromer nun auf Tempo kommt, verbieten sich hohe Endgeschwindigkeiten von selbst, weil sonst die Reichweite rapide abbaut. So beschränken sich zum Beispiel Mercedes und Audi bei ihren Batteriemodellen auf bislang auf 180 km/h und erlauben nur in Ausnahmefällen bei Sportmodellen wie dem kommenden e-tron Sportback S mal 210 km/h.

Das Gefühl fürs Tempo geht verloren

Auch der Fahrer muss sein Koordinatensystem neu kalibrieren. Denn vor allem in der Stadt geht das Gefühl für die Geschwindigkeit ein wenig verloren, wenn die gewohnte Geräuschkulisse des Motors fehlt. Erst jenseits von etwa 80 km/h ist die Welt dann wieder in Ordnung, wenn sich Reifen und Windgeräusche einstellen und den Motorsound ohnehin überlagern würden.

Bremsen mit dem Gaspedal

Ebenfalls eine neue Erfahrung im Elektroauto ist das Bremsen. Im Ringen um maximale Reichweite setzen die Stromer auf die sogenannte Rekuperation und polen den Elektromotor dafür zum Generator um, erläutert Skoda-Entwicklungsvorstand Christian Strube bei der ersten Testfahrt mit dem kommenden Elektro-SUV Enyaq: Sobald man den Fuß vom Pedal nimmt, wandelt er Bewegungsenergie in Strom um und verzögert so das Fahrzeug, ohne dass die mechanischen Bremsen benötigt werden. E-Fahrer sprechen da vom One-Pedal-Driving und kommen mit ein bisschen Übung ganz ohne Bremse durch den Tag.

Mehr Platz hinten und manchmal auch vorn

Neben dem reinen Fahrgefühl und der neuen Ruhe beim Reisen gibt es bei den Stromern aber auch ein paar Eigenheiten, die nur mittelbar mit dem Elektroantrieb zu tun haben. Da sind zum einen die Platzverhältnisse: Weil E-Motoren viel kleiner sind als Verbrenner und die Batterien meist im Wagenboden verschwinden, bieten dezidiert um den neuen Antrieb herum entwickelte Fahrzeuge spürbar mehr Platz für die Passagiere.

Der VW ID.3 zum Beispiel hat nach Angaben von Entwicklungsvorstand Frank Welsch Abmessungen wie der Golf, aber einen Innenraum so groß wie beim Passat. Und Tesla verspricht für das Model Y als einzigem kompakten SUV sogar eine dritte Sitzreihe. Außerdem lässt sich bei den Stromern wie sonst nur bei Mittel- oder Heckmotorsportwagen vom Schlage eines Porsche 911 auch der Bug als Kofferraum nutzen und wird dann aus der englischen Kombination von «Front» und «Trunk» zum «Frunk».

Apps und Bildschirme gehören zum E-Auto

Zumeist macht auch das Anzeige- und Bedienkonzept einen Unterschied. Dass man das Laden über eine App auf dem Smartphone kontrollieren und kommandieren kann, ist gängiger Standard. Das gilt auch für das sogenannte Konditionieren, bei dem man den Strom aus der Ladesäule nutzt, um das Auto schon vor der Abfahrt zu heizen oder zu kühlen. Doch weil Elektroautos als besonders fortschrittlich gelten wollen, gehen sie meist auch im Cockpit neue Wege. Besonders, wenn sie sich keine Komponenten mit konventionellen Fahrzeugen teilen müssen. So finden sich riesige Bildschirmlandschaften und Touchscreens in vielen E-Autos.

Doch manche alten Ideale bleiben auch in der Akku-Ära bestehen: Luxus und Leistung definieren die Spitze des Segments, egal ob mit Sprit gefahren wird oder mit Strom. Deshalb etabliert sich über all den elektrischen Alternativen vom Kleinwagen bis zur Luxuslimousine gerade mit Modellen wie dem Nio XP9, dem Lotus Evija und dem Pininfarina Battista das neue Segment der elektrischen Hyper-Sportwagen – mit Motoren zum Teil weit jenseits von 735 kW/1000 PS und Geschwindigkeiten, die bis deutlich über 300 km/h reichen.


(dpa/tmn)

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