Löw braucht Reus: BVB-Kapitän soll «Initialzündung setzen»

Wolfsburg – Joachim Löw wollte Marco Reus eigentlich noch länger schonen für Holland. Aber dann brauchte der Bundestrainer den Kapitän von Borussia Dortmund doch unbedingt, um der drohenden Niederlage gegen Serbien zu entgehen.

«Eigentlich war es vorgesehen, vielleicht später reinzukommen», verriet der 29-Jährige nach dem 1:1 im Testländerspiel in Wolfsburg. Reus kam zur Pause – und ins Offensivspiel kamen endlich Tempo, Spielwitz und Torchancen.

«Ich hatte klar das Gefühl, dass ich der Mannschaft helfen konnte», sagte Reus, der natürlich auch das Ausgleichstor von Leon Goretzka perfekt vorbereitete. Nur ein Treffer als Krönung seiner Leistung blieb ihm versagt. «Ein paar Situationen hätte ich besser machen können», sagte der gereifte BVB-Profi wohltuend selbstkritisch. Reus befand: «Ein Unentschieden gegen Serbien ist für uns zu wenig.»

Joachim Löw weiß, welchen Wert ein erfahrener Qualitätsspieler wie Reus gerade beim Neubau einer neuen, titelfähigen Mannschaft hat. Aber der Bundestrainer vergisst auch die Vergangenheit nicht. Sie macht ihn vorsichtig und lässt ihn besonders behutsam Reus umgehen.

«Marco hat uns leider wahnsinnig häufig gefehlt, so dass er sehr selten in den letzten sieben, acht Jahren bei der Mannschaft war.» Seit dem Debüt im Oktober 2011 kommt Reus auf gerade einmal 38 Länderspiele (10 Tore). «Wenn man seine Qualitäten und seine große Klasse als Maßstab nimmt, hätten wir ihn in vielen Spielen gebrauchen können», sagte Löw. Dem Bundestrainer gefällt aber Reus‘ Entwicklung. «Er ist sicherlich reifer geworden, weil er mehr Verantwortung übernimmt. Er hat ein sehr gutes Standing und genießt Respekt.»

Die Beförderung zum Kapitän im Verein habe einen positiven Effekt bewirkt, findet Löw: «Ich denke, dass es ihm schon hilft, in Dortmund als Kapitän aufzulaufen. Das prägt einen Spieler. Dann weiß er, dass er ein Sprachrohr der Mannschaft ist.» Löw geriet ins Schwärmen: «Auf dem Platz will Marco immer den Ball, egal bei welchem Spielstand. Er übernimmt Verantwortung. Er hat einen Prozess durchlaufen zu einem gestandenen Spieler, der, egal in welchem Spiel, keine Nervosität kennt.»

Der in dieser Saison körperlich sehr stabile Reus geht nun auch im DFB-Team voran. Vom Fanclub Nationalmannschaft wurde er zum «Spieler des Jahres» 2018 gewählt, das für Deutschland insgesamt ein Desaster war. In Wolfsburg wurde er vor dem Anpfiff offiziell ausgezeichnet.

Aber erst mit Reus als Hauptdarsteller auf dem Platz wurde es noch ein halbwegs gelungener Länderspielabend. «Mit Marco haben wir in der zweiten Halbzeit natürlich auch eine gewisse Qualität bekommen. Er hat die Bälle gehalten und auf den richtigen Moment gewartet. Er hatte auch das notwendige Gefühl, um die richtige Entscheidung zu treffen», lobte Kollege Ilkay Gündogan. «Marco hat unserem Spiel sehr gut getan», sagte Goretzka, der bei seinem Tor von Reus profitierte.

«Marco hat Dynamik und technische Qualität. Er kann die Initialzündung setzen», betonte DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Am Sonntag, wenn es in Amsterdam zum Auftakt der EM-Qualifikation gegen die Niederlande zum Ernstfall kommt, wird es auch auf Reus ankommen.

«Mein Ziel ist es immer, von Anfang an zu spielen», sagte er. Reus geht vor dem Holland-Trip auch verbal voran. Man dürfe «nicht mit schmaler Brust» in Amsterdam auflaufen, wo die Nationalelf vor fünf Monaten in der Nations League mit 0:3 unterging – übrigens ohne ihn. «Wir müssen schon selbstbewusst genug sein, um da was mitzunehmen. Wir müssen eine andere Körpersprache auf dem Platz darlegen.» So, wie es Reus beispielhaft vormachte als Teilzeitkraft gegen Serbien.


(dpa)

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