Wieso Väter das Wickeln vor ganz praktische Probleme stellt

Stuttgart – Wickeltische befinden sich in öffentlichen Einrichtungen meist auf der Damentoilette. Für Männer, die mit ihrem Kind unterwegs sind, ist das ein Problem. In den USA
regt sich nun Widerstand.

Viele Väter veröffentlichen dort zurzeit Bilder von sich im Internet, die sie in der Hocke zeigen, weil sie unterwegs wieder einmal keinen Wickeltisch auf der Herrentoilette finden – und ihrem Baby daher in recht ungemütlicher Körperhaltung die Windeln wechseln müssen. So wollen sie Aufmerksamkeit für ihre Lage schaffen.

Auch in Deutschland gibt es erste Anzeichen für ein Problembewusstsein. «Wickeltische befinden sich überwiegend auf Damentoiletten und äußerst selten auf Herrentoiletten», sagt der Stuttgarter SPD-Stadtrat Dejan Perc.

Stadt empfiehlt Pragmatismus

Er und seine Genossen beklagen auch in der baden-württembergischen Landeshauptstadt diesbezüglich eine ungleiche Infrastruktur. Die Fraktion hat deshalb einen Antrag an die Stadtverwaltung gestellt. Diese sollte prüfen, in welchen öffentlichen Herrentoiletten Wickeltische angebracht werden könnten.

Knapp ein Jahr ließ sich Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) mit der Beantwortung Zeit – und schmetterte das Anliegen der SPD ab. Eine flächendeckende Bestandsaufnahme samt Kostenprüfung sei aus Kapazitätsgründen nicht leistbar, heißt es in der Stellungnahme.

Ein gravierendes Problem mag die Rathausspitze in dem Tisch-Defizit auf Herren-WCs nicht erkennen. Sie sieht keinen Handlungsbedarf und empfiehlt Pragmatismus: «Im Allgemeinen werden Herren in «Wickelmission» auf der Damentoilette toleriert», heißt es weiter. Beschwerden lägen der Stadt nicht vor.

Es geht auch um das Rollenbild

Dejan Perc sieht das anders. Er habe zu dem Thema viel Zustimmung in den sozialen Netzwerken erhalten. Der finanzielle Aufwand für Wickel-Klapptische sei «überschaubar». Eine Stippvisite auf der Damentoilette kostet Männer seiner Ansicht nach Überwindung – und selbst wenn nicht, hält er den Rat dazu für das falsche Signal.

Den Genossen geht es auch um Symbolik: Wickeltische nur auf Damentoiletten suggerieren ihrer Meinung nach alte Rollenbilder, wonach Wickeln Frauensache sei. «Das passt mit dem Wandel in unserer Gesellschaft nicht mehr zusammen», sagt Perc. Männer wirkten immer häufiger an der Kindererziehung mit, nähmen öfter Elternzeit.

Die Berliner Grünen fordern Ähnliches. 2018 beschlossen sie auf einem Parteitag, dass ein für beide Geschlechter zugänglicher Wickeltisch in Behörden und Gaststätten Pflicht werden soll. Wo noch keine Unisex-Toiletten vorhanden sind, sollen Herrentoiletten nach dem Willen der Grünen mit Wickeltischen ausgestattet werden.

Ein Problem mit wenig Aufmerksamkeit

Die Chancen für eine Umsetzung stehen der Landesvorsitzenden Nina Stahr zufolge gut, da Gleichberechtigung für die rot-rot-grüne Berliner Koalition ein zentrales Anliegen sei. «Dazu gehört auch, dass alle Eltern – Mütter und Väter – ihre Kinder gut versorgen können», sagt Stahr. In der Hauptstadt reagieren ihren Angaben nach immer mehr Einrichtungen auf entsprechende Nachfragen.

Bundesweit scheint die Wickeltisch-Frage für Kommunen bislang ein marginales Problem. Dem Deutschen Städtetag ist unbekannt, wo bereits eine Pflicht für Wickeltische in öffentlichen Gebäuden und auf Männertoiletten gilt. Einer Sprecherin zufolge wird das nicht erfasst.

Und in Stuttgart können Väter im Grünen draufloswickeln: Im städtischen Naherholungsgebiet am Max-Eyth-See steht seit 2017 eine neue WC-Anlage – mit Wickeltisch in der Herrenkabine. Künftig will die Stadt bei Neubauten einen separaten Wickelraum einrichten, den unabhängig von den Toiletten Väter und Mütter nutzen können.


(dpa)

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