Wie die Partnerwahl mit dem Bildungsstand zusammenhängt

Wiesbaden – Karsten und Katharina aus einer Kleinstadt im Rhein-Main-Gebiet bilden zehn Prozent der Beziehungen in Deutschland ab. Sie hat Philosophie studiert und arbeitet bei einer Nicht-Regierungsorganisation in Frankfurt am Main, er hat einen eigenen Handwerksbetrieb.

Dass sie Abitur und Uni-Abschluss und er «nur» einen Realschulabschluss und eine Ausbildung hat, spiele im Alltag keine Rolle, sind sie sich einig. Beide sind kulturell interessiert, gemeinsam besuchen sie Konzerte. «Ins Theater gehe ich dann lieber mit Freundinnen», erzählt sie. Beim Fußball blieben dann die Männer unter sich.

Ähnlicher Bildungsstand bei den meisten Paaren

Nach einer Erhebung des
Statistischen Bundesamtes (Destatis) hat das Klischee des Chefs, der am liebsten seine Sekretärin heiratet, in Deutschland ausgedient. Bei der deutlichen Mehrheit der Paare in Deutschland (63 Prozent) haben 2017 beide Partner einen ähnlichen Bildungsstand. Bei 10 Prozent aller gemischtgeschlechtlichen Paare in Deutschland hat die Frau – wie bei Karsten und Katharina – einen höheren Bildungsabschluss. Zu Beginn der Erhebung 1996 waren das nur 6,5 Prozent. Dass der Mann höher qualifiziert ist, kommt in 27 Prozent aller Beziehungen vor.

In der Statistik kämen alle Altersstufen vor, sagte der Destatis-Statistiker Matthias Keller. Ein Trend lasse sich am ehesten bei den nicht verheirateten Paaren ablesen, weil diese im Schnitt jünger seien: Dort sind bereits 15 Prozent der Frauen besser qualifiziert als ihr Partner und 65 Prozent aller Paare sind gleich gebildet. Dass Frauen in der Bildung aufholen und Männer teils überflügeln, zeigen aus Expertensicht seit Jahren viele Erhebungen.

Frauen mit neuem Selbstbewusstsein

«Die Ressource gebildeter Mann wird knapper», sagt die Psychologin Lisa Fischbach. Sie leitet bei der Online-Partnersuche ElitePartner den Bereich Forschung und Matchmaking. Demgegenüber stehe ein neues Selbstbewusstsein der Frauen, was deren Ansprüche an ihre potenziellen Partner in den vergangenen Jahren deutlich stärker wachsen ließ als die der Männer. «Frauen wünschen sich als Idealbild des Partners den Alpha-Softie», sagt Fischbach. Also weiterhin den gebildeten Versorgertyp mit Status, der gut aussieht und ein leidenschaftlicher Liebhaber ist – mit dem man aber auch tiefgreifende Gespräche führen kann und der empathisch auf Bedürfnisse eingeht. Dieses ausgefeilte Modell sei aber selten.

Insgesamt gleichen sich die Kriterien bei den Geschlechtern nach Angaben von Fischbach aber immer mehr an – auch wenn Frauen tendenziell immer noch der Status wichtiger ist und Männern das Aussehen. «Der Unterschied ist aber nicht mehr so groß wie noch vor wenigen Jahren.» Fischbach beschreibt derzeit eine Umbruchphase, in der Geschlechterrollen neu definiert und Stereotype aufgelöst werden könnten. «Ich glaube, dass die Partnerwahl immer gleichberechtigter wird wenn die gesellschaftliche Akzeptanz zunimmt.» Dieser Umwälzungsprozess werde aber noch dauern.

Wo bleibt die Gleichstellung?

Einen Umbruch sieht auch die Sozialpsychologin Professor Petia Genkova von der Hochschule Osnabrück – aber unter deutlichem Vorbehalt. Ähnlichkeiten seien bei der Partnerwahl immer gewünschter, auch beim Bildungsstand. Ist das Paar aber mal zusammen und vielleicht das erste Kind da, wähle die Frau meist flexible Arbeitszeiten und komme mit ihrer Karriere nicht weiter.

Laut der aktuellen Statistik arbeitet bei 12 Prozent der Paare, bei denen die Frau die höhere Bildung hat, nur der Mann. Auch wenn beide einen Uni-Abschluss haben, arbeite die Frau meist entweder in einem niedriger bezahlten Sektor oder bekomme nach mehreren Jahren weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen, so die Professorin. Wer das Geld hat, habe mehr Macht, auch in einer Partnerschaft – die Ausbildung sei dann gar nicht mehr so wichtig.

Bei Karsten und Katharina sind die Töchter sieben und zehn Jahre alt. Sie hat nach der Geburt auf Teilzeit reduziert und ist dabei geblieben, die Leitung der Frankfurter Niederlassung war damit kein Thema mehr: «Das hat mir schon leidgetan.» Er ist mit seinem gut laufenden Handwerksbetrieb der Hauptverdiener. Auch Genkova verdient nach eigenen Angaben als Professorin weniger als ihr Mann mit Uni-Abschluss in der freien Wirtschaft: «Es gibt einen Umbruch, aber für eine echte Angleichung ist weiter harte Arbeit nötig.»


(dpa)

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