Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?

München – Die Grundfrage bei jedem Erbfall ist: Wer bekommt was? Nicht selten bricht darüber Streit aus. Was viele nicht wissen: Manche Verwandte erben unabhängig davon, was der Erblasser geregelt hat.

Sie haben Anspruch auf den sogenannten Pflichtteil. Dieser garantiert nahen Hinterbliebenen eine Mindestbeteiligung am Erbe, wenn sie im Testament von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind.

«Pflichtteilsberechtigt sind die Eltern des Verstorbenen, der Ehepartner und die Kinder der verstorbenen Person», sagt der Münchner Fachanwalt für Erbrecht, Paul Grötsch, der auch Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht ist. Sind die Kinder bereits tot, erben die Enkel oder die Urenkel.

Die Eltern sind aber nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der oder die Verstorbene keine Kinder hat. Keinen Pflichtteil erhalten Stief- und Schwiegerkinder. Gleiches gilt für Geschwister.

Kein Anspruch auf Gegenstände

Generell gilt: «Der Pflichtteil ist ein Geldanspruch», betont der Bonner Fachanwalt für Erbrecht, Eberhard Rott. Ansprüche auf Gegenstände – etwa Gemälde des Verstorbenen oder dessen Immobilien – bestehen nicht.

Doch wie wird der Pflichtteil berechnet? Bemessungsgrundlage ist der volle Wert des Nachlasses abzüglich Verbindlichkeiten wie etwa Beerdigungskosten. «Die Höhe des Pflichtteils ist die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbes», erläutert der Heidelberger Fachanwalt für Erbrecht, Jan Bittler. Wer einen Pflichtteilsanspruch hat, muss selbst aktiv werden und ihn gegenüber dem Erben einfordern.

Der Erbe ist verpflichtet, ein Verzeichnis über sämtliche Vermögensgegenstände des Verstorbenen zu erstellen. «Allerdings wird bei einem solchen Verzeichnis häufig vieles unterschlagen», sagt Rott, der auch Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögensvorsorge ist.

Pflichtteilsverzicht notariell beurkunden

Nicht immer ist es von einem Erblasser gewollt, dass nach seinem Tod bestimmte Personen einen Pflichtteil aus seinem Nachlass einfordern. Ein Beispiel: Ein Ehepaar, das kinderlos ist, will ausschließen, dass im Fall des Todes eines Partners dessen Eltern einen Pflichtteil am Erbe geltend macht. «In einem solchen Fall ist ein Pflichtteilsverzicht denkbar», sagt Bittler, der auch Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge ist.

Einen solchen Pflichtteilsverzicht muss zwingend ein Notar beurkunden. Der Erblasser vereinbart dabei mit dem Pflichtteilsberechtigten, dass dieser seinen Anspruch nicht geltend macht.

Der Pflichtteil kann aber auch reduziert werden. «Das ist möglich, indem der Erblasser zu seinen Lebzeiten Schenkungen an die Personen vornimmt, die ihm wichtig sind», erläutert Rott.

Sonderfall nach Schenkungen

Liegen Schenkungen weniger als zehn Jahre zurück, hat der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben. «In diesem Fall wird der Wert der Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet», so Grötsch. Er schmilzt jedoch für jedes Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall verstrichen ist, um ein Zehntel ab. Nach zehn Jahren gibt es keinen Ergänzungsanspruch mehr.

Es gibt Fälle, in denen Erblasser ungeliebten Angehörigen auch den Pflichtteil entziehen würden. «Das ist aber nur in Ausnahmefällen möglich», betont Bittler. Voraussetzung für einen Pflichtteilsentzug ist, dass der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einem ihm Nahestehenden nach dem Leben trachtete, sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat, seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt oder wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt wurde. «Liebloses Verhalten, Entfremdung oder Undankbarkeit sind keine rechtswirksamen Gründe für einen Pflichtteilsentzug», so Rott.


(dpa/tmn)

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