Wenn der Partner dem Streit ausweicht

Berlin – Ein schmutziger Kaffeebecher in der Spüle – und schon ist sie wieder da, die große «Nie kümmerst du dich um irgendwas!»-Debatte. Auseinandersetzungen mit dem Partner sind in vielen Beziehungen Alltag.

Doch geht es auch anders? Das vermitteln zumindest die Paare, die sich bei der Runde mit Freunden tief in die Augen schauen und anschließend beteuern: «Wir streiten uns nie!» Aber: Muss dicke Luft in einer Beziehung nicht ab und zu sein?

Wenn Partner sich nie streiten, muss das nicht zwangsläufig ungesund sein. «Es gibt Paare, die über Konflikte in Ruhe sprechen können. Die sich bemühen, eine gute Lösung zu finden und die es aushalten, wenn es keine einfache Lösung gibt», erklärt Berit Brockhausen, Psychotherapeutin und Paarberaterin in Berlin. Diese Paare tragen Konflikte nicht mit lauten Vorwürfen, verletzenden Worten oder knallenden Türen aus, sondern ruhig und sachlich.

Wer an diesen Punkt gelangen möchte, sollte sich Brockhausen zufolge eine Frage stellen: «Will ich Recht haben – oder will ich es gut mit meinem Partner haben?» Wer sich für die zweite Option entscheidet, konzentriert sich auf das Wesentliche: eine Lösung zu finden.

Ein weiterer Grund, warum Paare nicht streiten, kann sein, dass es bisher keine schwierigen Interessenskonflikte gab, sagt Brockhausen. Gerade in der ersten Zeit einer Beziehung herrscht Harmonie, und die kleinen Macken der Partners erscheinen niedlich. Dieser Zustand hält aber in der Regel nicht ewig.

Wenn Paare nicht streiten, kann das aber auch ungesund sein – etwa wenn die Partner ihre Gefühle herunterschlucken. Auseinandersetzungen zu vermeiden ist keine nachhaltige Lösung, sagt Henning Matthaei, Paartherapeut in Hamburg. Gerade sensible Fragen wie «Wollen wir ein Kind?» müssen eines Tages geklärt werden.

Besonders schwierig haben es Männer und Frauen, die gerne streiten möchten, deren Partner jedoch bei Auseinandersetzungen sofort abblockt. Hier sollte das Paar klären, ob die Rahmenbedingungen des Gesprächs stimmen. «Manche Gespräche kommen einfach zur Unzeit, zum Beispiel nach einem langen Arbeitstag oder gegen 23.00 abends», so Volker Hepp, Paartherapeut aus Inning am Ammersee (Bayern). Auch der Ort für die Auseinandersetzung kann unpassend sein. In diesen Fällen helfe es, die Auseinandersetzung zu verschieben.

Und was, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, der Partner dennoch ausweicht? «Wenn jemand im Gespräch blockiert, dann normalerweise, weil er mit dem nicht zurechtkommt, was der andere ihm sagt», sagt Matthaei. Eine erste Maßnahme kann sein, nachzufragen, warum der Partner nicht ins Gespräch einsteigen mag. Kommt keine Antwort, rät Matthaei, die Situation zu verlassen: «Meistens ist ein wenig Zeit und Raum hilfreich, um wieder aufeinander zugehen zu können.»

Nicht jeder kann spontan überzeugende Argumente oder Einblicke in seine Gefühlswelt formulieren. «Vielleicht braucht der Partner Zeit, um sich zu sortieren, aber es wird eine schnelle Antwort erwartet», sagt Hepp. Auch Verlustängste können hinter dem Abblocken stecken.

Um langfristig damit umzugehen, dass der Partner ungern diskutiert, hilft vor allem Verständnis. Warum verhält sich der oder die Liebste so? Und: Was braucht mein Partner, um sich zu öffnen, und wie kann ich dabei helfen? Um diese Fragen zu klären, kann laut Hepp auch eine Paartherapie sinnvoll sein.

«Es ist unbedingt sinnvoll, sich als Paar darüber auszutauschen, wie man Konflikte angeht», so Hepp. Fragen, die ein Paar in diesem Zusammenhang klären kann, sind etwa: Was braucht jeder Partner an Atmosphäre und Rahmenbedingungen, um sich in einem Streitgespräch wohlzufühlen? Wo sind die wunden Punkte, die zuverlässig einen Gefühlsausbruch auslösen, und wie kann man damit umgehen? Wenn dann auch noch Vertrauen, Respekt und Zuneigung dazukommen, hat das Paar gute Chancen, Konflikte dauerhaft zu lösen, so Matthaei.

Literatur:

Berit Brockhausen: Schöner streiten – Der kleine Paarratgeber. Kösel, 9,99 Euro, ISBN 978-3466346288


(dpa/tmn)

(dpa)