Was taugen Testamentvorlagen aus dem Internet?

Berlin – Algorithmen sind vielseitige Experten. Sie finden günstige Flüge für uns, interessante Bücher und das Lieblingsessen beim Lieferdienst. Aber ein passendes Testament? Auch das soll möglich sein.

Das Schlagwort heißt Legal Tech – Technologie, die juristische Prozesse und Dienstleistungen automatisiert. Die Idee ist einfach: Der Nutzer beantwortet im Internet ein paar Fragen und bekommt eine passende Testamentsvorlage aus Textbausteinen. Diesen Service bieten mittlerweile mehrere Online-Portale an.

Doch wie brauchbar sind die Ergebnisse?

Die Stiftung Warentest hat fünf Anbieter getestet und jeweils drei Beispielfälle durchgespielt («Finanztest», Ausgabe 9/2018). Nur drei Portale erstellten rechtssichere Testamentsvorlagen. Und selbst dann könne die erstellte Vorlage für die konkrete Situation unbrauchbar sein. Die Portale machen laut den Experten nicht ausreichend deutlich, für wen sich die Vorlage überhaupt eignet. Fazit: Das Versprechen, ein optimales Dokument wie bei einem Anwalt zu bekommen, könnten die Anbieter entgegen ihrer Werbung nicht einlösen.

Die Stiftung Warentest weist auf Konstellationen hin, die für die Regelung des Erbes entscheidend sein können. Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei Söhnen will das Haus an die Enkel vererben. Sie brauchen also ein Testament, sonst gilt die gesetzliche Erbfolge. Die Eheleute müssen sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und verfügen, dass die Enkel erst erben, wenn beide tot sind.

Der Haken: Die enterbten Söhne haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses, den Pflichtteil. Diesen können die Söhne einfordern, wenn ein Elternteil stirbt. Im schlimmsten Fall muss die Mutter oder der Vater dann das Haus verkaufen, um die Söhne auszahlen zu können. Die geprüften Online-Dienste wiesen zwar auf den Pflichtteil hin, stellten aber keinen Bezug zum Einzelfall her, lautet die Kritik der «Finanztest»-Experten.

«Online-Testamente sind nur etwas für juristisch vorgebildete Menschen», sagt auch
Stephanie Herzog, Fachanwältin für Erbrecht aus Würselen. «Die Leute merken nicht, dass sie nichts verstehen.» Die Baustein-Testamente vermittelten den falschen Eindruck, dass es nicht schwierig sei, das passende Testament zu erstellen.

Herzog sieht das Problem in der Kommunikation: «Ich berate ungern telefonisch. Denn ich muss das Gesicht des Mandanten sehen, um einschätzen zu können, ob dieser mich verstanden hat.» Und die Algorithmen können das erst recht nicht erkennen. Auch sind die Fragen der Programme nicht immer selbsterklärend. «Es werden Fachbegriffe benutzt, die im allgemeinen Sprachgebrauch eine andere Bedeutung haben können», sagt Herzog.

Stefan Schiefer ist Leiter der Abteilung Recht beim Anbieter Janolaw, einem der getesteten Portale (Note «befriedigend»). Zu dem Vorwurf, dass die Nutzer die gestellten Fragen nicht verstünden, sagt er: «Das sehen wir anders. Wir sind der Auffassung, dass die Fragen so gestellt sind, dass auch Laien sie verstehen.» Er räumt auch ein, dass der Nutzer keine Einzelberatung wie bei einem Anwalt bekomme. «Was ein Anwalt im Gespräch erzählt, versteht der Mandant wahrscheinlich oft auch nicht», betont Schiefer. Schwierigkeiten seien online und offline möglich.

Die Kostentransparenz sieht Schiefer hingegen als Vorteil der Online-Dienste: Ein Einzeltestament kostet bei Janolaw 24,90 Euro. Ein Notar kostet Gebühren, die sich nach der Höhe des Nachlasses richten. Ein weiteres Argument für die Netzvorlagen sei die Bequemlichkeit, so Schiefer.

Die Experten der Stiftung Warentest plädieren jedoch dafür, die Textbausteine aus den Internet-Vorlagen lediglich als Formulierungshilfen zu benutzen. Und ganz wichtig: Ein Testament muss immer handschriftlich verfasst und unterzeichnet sein. Der Ausdruck einer Vorlage plus Unterschrift ist dagegen unwirksam.


(dpa/tmn)

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