Vettel sucht Weg aus der Ferrari-Krise

Suzuka – Den finsteren Schlagzeilen aus dem Ferrari-Land schenkt Sebastian Vettel keinen Blick.

«Ich kann zwar lesen, aber lese doch eher andere Sachen», sagt der viermalige Weltmeister der Formel 1, bevor er sich in Japan am Sonntag daran versucht, die mit 22 Rennen längste Sieglos-Serie seiner Karriere zu beenden. Ganz ausweichen aber kann Vettel der Krisenstimmung, die ihn und die Scuderia seit Wochen begleitet, auch in Suzuka nicht. «Es ist offensichtlich, dass wir nicht die Saison haben, die wir uns gewünscht hatten», sagt Vettel im Pressesprecher-Deutsch.

Das Zugeständnis ist grob untertrieben. Die Zweifel an Ferraris baldiger Titeltauglichkeit und Vettels Retter-Künsten sind in Italien größer denn je. «Ferrari braucht dringend einen erfolgreichen Fahrer», schrieb der «Corriere della Sera» in dieser Woche. «La Repubblica» fragte: «Hat Maranello den bestbezahlten Fahrer der Ferrari-Geschichte in die Tiefe gerissen oder hat Vettel sein Talent verloren?»

Der Startunfall des Deutschen in Malaysia diente den Kritikern als schlagender Beweis für den Absturz des zunächst als Michael Schumachers Erben begrüßten Vettel. Der 29-Jährige war in Sepang bei einem waghalsigen Manöver in der ersten Kurve in Nico Rosbergs Mercedes gekracht und musste danach aufgeben. «Er setzt sich zu sehr unter Druck, den Speed, den Ferrari gerade nicht hat, durch solche Ruck-Aktionen wettzumachen», urteilt Altmeister Niki Lauda.

Zur Strafe muss Vettel in Suzuka drei Plätze weiter hinten starten, die Rennrichter sahen ihn als Unfallverursacher. Das ärgert den Heppenheimer genauso wie die Tatsache, dass seine telefonische Entschuldigung bei Rosberg von seinem Landsmann prompt via Videoblog an die Öffentlichkeit getragen wurde. Immerhin kann sich Vettel nun wieder auf seiner erklärten Lieblingsstrecke Suzuka austoben. «Das ist die Zeit des Jahres, wo man das Auto unter sich wirklich spürt und merkt, was es kann», sagt der Ferrari-Star.

Das Problem ist nur, dass sein Dienstwagen in diesem Jahr nicht das kann, was sich Vettel und die Ferraristi erhofft hatten. Hatte der Deutsche im Vorjahr dank drei Siegen nach 16 Rennen bereits 251 Punkte auf dem Konto und lag in der Fahrerwertung als Zweiter sogar vor Rosberg, ist er diesmal mit 153 Zählern als Fünfter sogar hinter seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen gerutscht. Der WM-Titel ist fünf Rennen vor Schluss nicht einmal mehr rechnerisch möglich für Vettel. Im Freitagstraining reichte es wieder nur zu Platz fünf, Räikkönen war als Dritter einmal mehr schneller.

Statt die Mercedes-Dominanz anzugreifen, ist Ferrari von Red Bull als zweite Kraft verdrängt worden. «Den Spieß wollen wir langsam wieder umdrehen», sagt Vettel. Aber wie? Inmitten der ständigen Umbauten und Personalwechsel in Maranello wirkt Ferrari plan- und ideenlos. Dass Technik-Direktor James Allison den Rennstall mitten in der Saison verließ, lässt auch nichts Gutes für die Entwicklung des nächsten Autos für die Saison 2017 erwarten, die für gewöhnlich im Sommer längst fortgeschritten sein sollte.

Für Vettel könnte so auch sein drittes und vorerst letztes Vertragsjahr bei der Scuderia zur schweren Prüfung werden, wenn Ferrari die Chance der umfassenden Regelreform 2017 nicht nutzen kann. «Es wird sich zeigen, ob die Früchte im nächsten Jahr schon am Baum hängen», sagt Vettel. Vorfreude klingt irgendwie anders.


(dpa)

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