Souverän auf dumme Sprüche reagieren

Berlin – Es gibt Sätze, die wirken so unschuldig und machen einen doch so wütend. «Na, das ist ja optimistisch», zum Beispiel als Bemerkung zu jemandem, der beim Radfahren keinen Helm trägt.

Oder «Wollt ihr denn nicht heiraten?» als Frage an ein Paar, das ohne Trauschein zusammen lebt. Ist es verheiratet, kommt garantiert: «Und, wollt ihr Kinder?» Die eigene Antwort gerät oft patzig, oder man ergeht sich in langen Rechtfertigungen.

Interesse oder Übergriff

«Wenn man es objektiv betrachtet, sind solche Fragen Interesse an dem anderen», findet Maria Richter, Psychologin und Coach aus Berlin. Und auch Julia Scharnhorst vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen in Berlin bricht eine Lanze für die Mitmenschen: «Im positiven Sinne würde ich unterstellen, dass jemand Anteil nimmt.»

Nun kommen solche Sätze aber nicht nur von Freunden und Familie. Auch Menschen, die man kaum kennt, sind mit ungebetenen Ratschlägen oder persönlichen Fragen zur Stelle. Die Experten halten das für menschlich. «Wir sind soziale Wesen», erklärt Bastian Roet vom Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen in Berlin. «Wir funktionieren in Beziehungen.» Und auch Julia Scharnhorst plädiert für Milde: «Wir sind einfach wahnsinnig neugierig auf das Leben anderer, wie sie leben, was sie machen.»

Überschreiten von Grenzen

Allerdings ist es oft nicht Neugier, sondern Beurteilung, was Menschen zu solchen Sprüchen treibt. Jede Gesellschaft hat ihre Konventionen, jeder Mensch seine Vorstellung davon, was er mag und was nicht. Macht ein anderer etwas, was in diese Vorstellung oder Konventionen nicht hineinpasst, kann das irritieren. «Es bringt etwas durcheinander. Was man nicht gewohnt ist, ist einem fremd», erläutert Richter. Es kann also sein, dass ein anderer mit solchen Sprüchen zum Ausdruck bringt, dass er etwas ungewöhnlich findet. Es kann aber auch die Botschaft sein: Du bist sonderbar, du machst das falsch.

Nun definiert jeder Mensch für sich, ob er Sprüche als Interesse oder als übergriffig empfindet. Ein Zeichen dafür, dass ein anderer über die eigenen Grenzen gegangen ist und man sich attackiert fühlt ist eine wütende Reaktion. Oder man fühlt sich überrumpelt und erklärt und erklärt und erklärt. «Dabei redet man sich oft um Kopf und Kragen», sagt Richter.

Souveränes Reagieren

Doch wie reagiert man souverän auf Sprüche? Dabei hilft die Faustformel: kurz, wenig emotional und gern mit einem freundlichen Lächeln. Richters Vorschlag: «Für uns ist es so, wie es ist, genau richtig.» Bastian Roet ergänzt: «Wir würden gerne Kinder haben, doch es hat (noch) nicht geklappt.» Eine kurze Erklärung, warum es so ist, kann zudem das Gesagte unterstreichen. Dabei muss man vielleicht gegen das Gefühl angehen, dass das Warum niemanden etwas angeht. Zudem macht man sich verletzlich. Deshalb liegt die Betonung auch auf kurz, ein Satz. Das wirkt auf den anderen nicht so brüsk.

Scharnhorst nennt es «sozialen Schmierstoff». Das ist vor allem dann wichtig, wenn man es mit jemandem zu tun hat, mit dem man in Zukunft weiter zu tun haben wird oder ein gutes Verhältnis haben möchte.

Eine elegante Reaktion sieht Scharnhorst in diesem Verhalten: Nicht antworten, sondern schweigen und ein anderes Thema beginnen. «Das signalisiert: Darüber möchte ich nicht sprechen.» Die meisten Menschen würden merken, dass das Thema damit beendet ist. Man kann es auch humorvoll angehen und ausrufen: «Das ist ja eine putzige Frage!» und dann das Thema wechseln.

Nun gibt es Unverbesserliche, die nachhaken, Tipps geben und immer wieder Sprüche klopfen. «Dann darf man drastischer werden und sagen, dass man es langsam nervig findet», rät Scharnhorst. Erlebt man solche Situationen immer wieder, hilft es, sich bestimmte Antworten zurechtzulegen. So kann man Gegenfragen formulieren. «Das bringt einen aus der Verteidigungshaltung heraus», erklärt Scharnhorst. Beispiel: Auf die Feststellung «Ihr seid ja noch nicht verheiratet» kann man antworten: «Stimmt. Wie geht es deinem Mann eigentlich?» Und dann immer weiterfragen. Wer fragt, führt – zum Beispiel das Gespräch weg vom eigenen Leben.

Umgang mit Wut

Bleibt allerdings noch das eigene Gefühl, das solche Sprüche Spuren hinterlassen können. Die Experten raten dazu, zu überlegen, warum man sich getroffen fühlt von einem Spruch, warum man patzig wird oder unsicher. «Vielleicht hat da jemand einen wunden Punkt getroffen», sagt Scharnhorst. «Wir projizieren den Ärger, den wir auf uns haben, dann auf andere. Es ist leichter, auf einen anderen sauer zu sein als auf uns», erklärt Scharnhorst.

Nun kann man allerdings auch mit sich und seinem Leben zufrieden sein, und trotzdem macht einen das Verhalten der anderen wütend. Kein Wunder, wenn die Botschaft mitschwingt: Du bist anders. «Wir wollen gemocht werden und zur Gemeinschaft gehören», erklärt Richter. Umso besser ist es, sich nicht in Diskussionen hineinziehen zu lassen, die nirgendwo hinführen.


(dpa/tmn)

(dpa)