Sächsin Frisch ist Südkoreas Rodel-Hoffnung

Oberhof – Plötzlich Südkoreanerin – und die größte Rodel-Hoffnung des Olympia-Gastgebers im Eiskanal. Die aus Schellerhau im Erzgebirge kommende Aileen Frisch ist in Pyeongchang die Konkurrentin ihrer ehemaligen Teamkolleginnen um Olympiasiegerin Natalie Geisenberger.

Vor fünf Jahren stand sie in Königssee als Weltcup-Dritte noch gemeinsam mit der Miesbacherin auf dem Podest. Damals ging die Karriere der frischgebackenen Junioren-Weltmeisterin von 2012 steil bergauf. Bei der WM-Premiere 2013 auf der Hochgeschwindigkeitspiste in Whistler wurde Frisch Fünfte. Die Olympia-Teilnahme in Sotschi verpasste sie, die Karriere war dann 2015 für das Talent vorbei: kein Spaßfaktor, keine Perspektive mehr.

Bis ein Anruf vom südkoreanischen Verband kam. Die erste Anfrage ging ins Leere, nach einem erneuten Versuch fing die Sächsin an zu Grübeln. Dann ging es schnell. Für den Antrag auf doppelte Staatsbürgerschaft reichte die Zeit nicht, der deutsche Pass war weg. «Ich hatte zur Aufnahme so eine Art Interview, das ging 20 Minuten lang und ich wusste im Vorfeld, dass Fragen zur Kultur und Geschichte gestellt werden und auch das Singen der koreanischen Hymne ein Teil davon ist – natürlich alles auf Koreanisch», sagte die 25-Jährige am Rande des Weltcups in Oberhof am vergangenen Wochenende der Deutschen Presse-Agentur.

Sie erinnert sich genau an den Dezember 2016, habe damals nur ein paar Stichwörter verstanden. «Die Sprache war in einer höflicheren Form, ich war sehr aufgeregt, die Nacht davor konnte ich kaum schlafen. Es hat offensichtlich ganz gut geklappt», sagte sie. Ab Januar 2017 rodelt sie für Südkorea – im Team mit dem Cheftrainer Steffen Sartor – besser in der deutschen Rodelszene bekannt unter dem Namen Skel, einst Doppelsitz-Partner von Steffen Wöller. Und auch mit Bahntrainer André Lange, seit Oktober 2017 im Amt, spricht sie vorwiegend deutsch.

«Das macht es für mich bei den Korrekturen einfacher in der Umsetzung», sagte sie. Mit den Teamkollegen rede sie auf Englisch, versuche es aber auch mit Koreanisch. «Das Verstehen klappt schon gut, das Sprechen nicht so», berichtete die Sächsin, die einst bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr angestellt war. Sie wollte ihr Abitur nachholen und studieren. «In der Woche, wo der Unterricht angefangen hätte, bin ich nach Korea geflogen.» Alle Pläne wurden quasi auf Eis gelegt.

Den großen Schritt ins ferne Land wählte sie bewusst. «Ich möchte mittelfristig erstmal in Korea bleiben. Erstmal sehen, wie das richtige Leben dort ist. Jetzt habe ich ja nur das Sportlerleben mitbekommen, das ähnlich ist wie in Deutschland.»

Die einst hochgesteckten Ziele für Olympia erhielten in diesem Winter einen Dämpfer. «Jetzt weiß ich nicht, wo ich stehe», meinte sie nach der verpassten Weltcup-Qualifikation als 14. im Nationen-Cup von Oberhof. Ein Trümmerbruch im Fuß, den sie sich nach einem Sturz ausgerechnet auf der Olympia-Bahn im «Alpensia Sliding Centre» in Pyeongchnag zuzog, durchkreuzte ihre sportlichen Visionen. «Das hat mich sehr zurückgeworfen», sagte sie. «Sie hat sich gefangen und die Leistungskurve zeigt wieder nach oben», meinte der viermalige Bob-Olympiasieger Lange, der früher selbst Rodler war.

Die Vorfreude auf Olympia spürt sie in der neuen Heimat. «Die Koreaner sind ja eher etwas reservierter, wenn es um fremde Leute geht, auch unter Landsleuten. Doch jetzt wird man schon angesprochen auf der Straße, die Leute wollen Fotos machen, wünschen uns viel Glück für Olympia», erzählte Frisch, die ihr heimliches Ziel nicht verraten möchte. Die Verbandsfunktionäre gaben ihr den inoffiziellen Namen Lim Il Wi. «Der steht in keinem Pass drin. Ich denke, er ist nicht so ernst zu nehmen», spielte sie sofort herunter. Der Vorname Il Wi bedeutet so viel wie: gewinnt den ersten Platz.


(dpa)

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