Renovierte Hertha: Investor und Coach neu – Hindernisse alt

Berlin – Hertha hat renoviert. Kurz vor dem ersten Heimspiel der neuen Saison am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg bekam die riesige Wand vor der Geschäftsstelle einen frischen, besonderen Anstrich.

Auch im Medienraum und an anderen Plätzen prangt als Blickfang das Motto des Hauptstadtclubs: «Die Zukunft gehört Berlin». Dazu jubeln die abgebildeten Profis über ihren attraktiver gewordenen Arbeitsplatz – so jedenfalls werben die Verantwortlichen für eine «besondere und spannende Saison», wie es Manager Michael Preetz ausdrückte: «Wir haben viele Themen vor der Brust.»

Derzeit ist es noch eine Mischung aus Gegenwart und Zukunft beim 127 Jahren alten Club, der erstmals nach vielen Jahren wieder sein Alleinstellungsmerkmal verloren hat. Hertha ist nicht mehr der einzige Berliner Club in der Bundesliga, Aufsteiger 1. FC Union hat zumindest zeitweise einen großen Teil der Aufmerksamkeit abbekommen. Das Ziel, den Nummer-eins-Status in der größten deutschen Stadt zu erhalten, dürfte noch am schnellsten zu erfüllen sein von Hertha. Die anderen Vorhaben und Wünsche erfordern trotz der neuen finanziellen Möglichkeiten durch den 125-Millionen-Euro-Deal mit Investor Lars Windhorst – weitere 100 Millionen sollen folgen – weiter Geduld.

Sportlich will die Hertha attraktiver werden. Nicht nur nach einem bemerkenswerten Resultat wie beim Saisoneinstand beim Rekordmeister Bayern München (2:2) soll über den deutschen Meister von 1930 und 1931 republikweit gesprochen werden. Hertha hatte auch mit dem Vereinsidol Pal Dardai auf der Bank in den vergangenen Jahren einige vielbeachtete Sternstunden, der erhoffte Sprung heraus aus dem grauen Mittelmaß der Liga aber gelang nicht. «Es geht darum, eine gewisse Kontinuität in die die Ergebnisse zu bekommen», sagte Dardai-Nachfolger Ante Covic zu einem der Ziele.

Der 43 Jahre alte Deutsch-Kroate ist wie Dardai aus dem Nachwuchsbereich des Berliner Clubs zum Chefcoach aufgestiegen. Dass daraus aber oft abgeleitet wird, dass er ein ähnlicher Typ sei wie sein ungarischer Vorgänger und es einfach so weiterlaufe bei Hertha, nervt Chefcoach Covic gewaltig.

Der Unterschied soll möglichst schnell sichtbar werden und seinen Club zu einem größeren Live-Erlebnis machen. Derzeit kann Hertha im 3,5 Millionen Einwohner zählenden Berlin die 74.475 Plätze im Olympiastadion nur bei den Spielen gegen Bayern, Dortmund und natürlich Union komplett füllen. Am Sonntagabend werden zum Heimspielauftakt 2019/20 nur 40.000 Fans erwartet.

«Wir wollen mutiger spielen, aber nicht naiv», hat Covic den angestrebten Spielstil zusammengefasst: «Ich möchte, dass wir im eigenen Ballbesitz Chancen kreieren.» Hertha muss greller werden, jünger, moderner, vielleicht verrückter – wie eben Berlin – und vor allem erfolgreicher. Das sehen inzwischen auch die Bosse als quasi einzige Chance, in Sachen Publikumszuspruch und Aufmerksamkeit einen Quantensprung zu machen. Alle temporären PR-Aktionen oder größer angelegten Kampagnen brachten keinen Durchbruch.

«Im Verein wird sehr viel drüber nachgedacht, wie und wann man die entsprechenden Schritte macht, um die sportliche Entwicklung voranzutreiben», verriet Trainer Covic in der Berliner «Fußball-Woche». Die 125 Millionen Investorengeld eröffnen einige neue Möglichkeiten, der Abstand nach oben in der Liga-Hierarchie aber bleibt bei einem Umsatz von rund 150 Millionen Euro weiter groß. «Wenn man nicht schlau ist, ist das Geld schnell weg», sagte Preetz.

Der Manager und Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller sind in vielen Bereichen gefordert: Das Team muss sukzessive neu und besser aufgestellt werden, die noch immer wertvollen Routiniers Vedad Ibisevic (35) und Salomon Kalou (34) stehen wohl in ihrer letzten Saison. Die Stadionfrage, die laut Preetz «Existenz sichernd» ist, steckt in einer Sackgasse. Ab 2025 will Hertha in einer eigenen reinen Fußball-Arena spielen. Das Verhältnis zum Berliner Senat als wichtigster Partner dafür liegt derzeit allerdings auf Eis.


(dpa)

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