«Phänomenal»: Konkurrenz verneigt sich vor Tennisstar Thiem

London – Ob er sich wie in einem dieser «Rocky Balboa»-Filme gefühlt habe, wollte ein Reporter von Novak Djokovic nach einem der packendsten Tennisduelle des Jahres 2019 gegen Dominic Thiem wissen.

Fast drei Stunden lang prügelten sich der 32 Jahre alte Serbe und sein sechs Jahre jüngerer Herausforderer die Bälle um die Ohren, ehe Thiem nach dem Matchball zum 6:7 (5:7), 6:3, 7:6 (7:5) als Sieger zu Boden sank. Als erster Österreicher schaffte es Thiem mit dem mitternächtlichen Kraftakt bei den ATP Finals ins Halbfinale und zählt spätestens seit den kurz aufeinanderfolgenden Siegen gegen Roger Federer und nun gegen Djokovic endgültig zur Tennis-Schwergewichtsklasse.

«Ich weiß, dass er ein hohes Level spielen kann. Aber heute Abend war er einfach phänomenal. Er hat auf jeden Ball drauf gedonnert. Er hat das gesamte Match wie den letzten Punkt gespielt. Da kann ich nur meinen Hut ziehen», sagte Djokovic. «Was er heute gemacht hat, war schlicht nicht normal.» Als fairer Verlierer hob Djokovic die Klasse seines Bezwingers ohne jegliche Einschränkungen hervor – wenngleich ihm auch bewusst war, was dieser 26 Jahre alte Niederösterreicher ihm eingebrockt hatte. Beim Stelldichein der Besten der Besten kommt es nun zu einem Vorrunden-Finale, das es mit jedem hochklassigen Kampfabend in der Londoner O2-Arena aufnehmen kann.

In einer Neuauflage des Wimbledon-Endspiels treffen in der sogenannten Night Session am Donnerstagabend (21.00 Uhr/Sky) der 16-malige Grand-Slam-Sieger, Weltranglisten-Zweite und Vorjahresfinalist Djokovic und der 20-malige Grand-Slam-Champion, Weltranglisten-Dritte und Turnier-Rekordgewinner Federer aufeinander. Das Motto ist so simpel wie der berühmte ABBA-Song. «The winner takes it all» – der Gewinner ist im Halbfinale, der Verlierer ist raus.

Thiem dagegen kann als Gruppensieger sein letztes Vorrundenspiel gegen den bereits ausgeschiedenen Italiener Matteo Berrettini am Donnerstag (15.00 Uhr) ohne jeden Druck angehen. Er werde zwar «alles geben», sagte der in Wiener Neustadt geborene und in Lichtenwörth lebende Profi, kündigte aber auch schmunzelnd an: «Das Match heute hat sehr viel Kraft gekostet. Das heißt, wenn es möglich ist, werde ich am Donnerstag nicht noch einmal 2:45 Stunden spielen. Ich werde auch schon ein bisserl das Auge auf dem Halbfinale haben.»

In dieser Spätform der Saison zählt der Freund der französischen Tennisspielerin Kristina Mladenovic, die am Wochenende ihr Team mit drei Siegen im Fed-Cup-Finale gegen Australien zum Titel geführt hat, zu den Top-Favoriten auf die Trophäe des ATP-Champions. 2018 und 2019 stand Thiem bei den French Open im Endspiel, beide Male verlor er gegen Rafael Nadal. In diesem Jahr hat er ebenso wie Djokovic fünf Turniere gewonnen (Wien, Peking, Kitzbühel, Barcelona, Indian Wells) – mehr als jeder andere. Und doch teilt der Weltranglisten-Fünfte Thiem ein ähnliches Schicksal wie der Weltranglisten-Siebte Alexander Zverev.

Beide haben noch keines der vier großen Turniere gewonnen. Im vergangenen Jahr jedoch triumphierte Zverev bei den ATP Finals. Ein gutes Omen für Thiem? «Es wäre der größte Titel meiner Karriere. Ich glaube, dass dieses Turnier fast auf dem gleichen Level wie ein

Grand-Slam-Turnier ist, weil es so schwer zu gewinnen ist», sagte Thiem. «Du musst hier nur Top-Ten-Spieler schlagen.» Die Nummer zwei und die Nummer drei der Welt hat er jedenfalls schon mal besiegt.


(dpa)

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