Nur eine Momentaufnahme? – Der HSV und seine Baustellen

Dresden – Eine Momentaufnahme wie vor gut einem Jahr soll die Tabellenführung des HSV diesmal nicht sein. Damals, am 25. August, standen die Hamburger nach dem Freitagspiel der Bundesliga und einem 3:1-Sieg in Köln für knapp 24 Stunden an der Spitze der höchsten deutschen Spielklasse.

13 Monate später ist der ehemalige Bundesliga-Dino nach dem 1:0 bei Dynamo Dresden im Nachholspiel wieder Erster – diesmal jedoch in Liga zwei. «Es tut gut, wenn man oben steht. Das gab es in Hamburg schon recht lange nicht mehr. Das muss uns jetzt eine breite Brust geben, aber wir dürfen nicht abheben», schilderte Torhüter Julian Pollersbeck die Gemütslage beim HSV.

Letztmals nach einem kompletten Spieltag hatten die Hanseaten im Jahr 2009 ganz oben in der Tabelle gestanden. «Die Tabellenführung ist ein schönes Nebenwerk», sagte Trainer Christian Titz, der auch Schwachpunkte im Spiel des verjüngten Teams erkannte.

Denn ein verdienter Spitzenreiter ist der HSV nur dank seiner Cleverness. «Wenn das Spiel 5:3 für Dresden ausgeht, dann hätten wir ein Spektakel gesehen, und es wäre von den Torchancen her auch in Ordnung gewesen», sagte Christoph Moritz selbstkritisch. Titz‘ Spielsystem greift nämlich so lange nicht, wenn Gegner wie Dresden und zuvor Heidenheim mit einer doppelten Absicherung vor dem Strafraum agieren und nach Ballgewinn blitzartig ausschwärmen. Erst wenn der Gegner müde wird, kommt der HSV.

In Dresden merkte man, dass dem Bundesliga-Absteiger Spieler fehlen, die individuell stark genug sind, um eine Betonabwehr auszuhebeln. Erst als der ballsichere Südkoreaner Hee-Chan Hwang nach der Pause kam und die Dresdner Müdigkeitserscheinungen zeigten, entwickelten die Gäste Gefahr – die dann auch zum Tor durch Hwang führte.

Darin sieht Titz auch die große Stärke des neuen HSV. «Wir haben im vorderen Bereich nicht nur einen, sondern mehrere Spieler, die mit ihrer individuellen Klasse die Spiele entscheiden können», frohlockte Titz am Tag nach dem 1:0-Erfolg in Dresden. Nach dem 3:2-Sieg gegen den 1. FC Heidenheim, bei dem Joker Pierre-Michel Lasogga am Samstag ein Hattrick gelang, machte diesmal Last-Minute-Verpflichtung Hwang mit einem Schuss in den Winkel (68. Minute) den Unterschied aus.

«Wir haben ihn bewusst zunächst auf der Bank gelassen, weil er nach dem Heidenheim-Spiel etwas müde war. Aber als wir ihn eingewechselt haben, war er richtig heiß und hat uns das Gefühl gegeben, dass da etwas passieren könnte», berichtete Titz über den Siegtorschützen. «Es ist wunderbar, dass wir so gute Optionen haben.» Titz will weiter durchwechseln. «Gerade in den englischen Wochen ist es wichtig, dass wir ein Stück weit rotieren und so eine Qualität reinbringen können», analysierte der HSV-Coach. Führungsspieler Moritz pflichtete ihm bei: «Der Kader gibt es her, dass wir rotieren. Und das machen wir auch.»

Darauf verlassen darf sich der HSV aber nicht. Dresden zeigte auch, dass die Abwehr Probleme bekommt, wenn der Kontrahent schnell und kombinationssicher ist. «In der Deckung sind wir teilweise nicht gut aufgestellt», erkannte Titz. Daran muss er arbeiten, damit die Tabellenführung keine Momentaufnahme bleibt.


(dpa)

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