Nagelsmanns bitterer Abschied: «Enttäuschung ist riesig»

Mainz – Nach dem letzten und vielleicht bittersten Spiel als Chefcoach der TSG 1899 Hoffenheim fand der frustrierte Julian Nagelsmann doch noch einen positiven Aspekt an der verpassten Europacup-Teilnahme.

«Es ist grundsätzlich für den neuen Trainer eine bessere Situation als wenn wir Siebter geworden wären mit dem Tingeln durch Europa», erklärte Nagelsmann mit Blick auf den neunten Tabellenplatz. Nach zwei Spielzeiten mit Reisen durch Europa sind die Kraichgauer wieder im grauen Bundesliga-Alltag angekommen und müssen sich unter Alfred Schreuder erstmal neu aufstellen. Zum Abschied von Nagelsmann setzte es am letzten Spieltag ein 2:4 (2:0) beim FSV Mainz 05 – das Ende aller internationalen Träume.

Die 3.000 mitgereisten Fans feierten den 31-Jährigen nach dem Abpfiff dennoch mit Sprechchören – für Nagelsmann war das nur ein schwacher Trost. In den letzten vier Saisonspielen mit nur einem Punkt verspielte die TSG alles. Ein Jahr nach dem umjubelten Einzug in die Champions League wurden die Hoffenheimer von leidenschaftlich aufspielenden Mainzern am Ende auseinander genommen.

So steht Nagelsmann nach seiner 39-monatigen Amtszeit bei seinem Abgang zu RB Leipzig praktisch mit leeren Händen da, auch wenn er betonte: «Ich mag’s nicht, wenn die Spieler kommen und sich entschuldigen. Auch ich habe heute verloren. Trotzdem ist die Amtszeit von mir – glaube ich – nicht die schlechteste gewesen.»

Die TSG-Mannschaft in der neuen Saison wird ein anderes Gesicht haben. Fest stehen bislang die Abgänge von Regisseur Kerem Demirbay (Bayer Leverkusen) und Nationalspieler Nico Schulz, auch wenn dessen Wechsel zu Borussia Dortmund noch nicht offiziell bestätigt ist. Schwer vorstellbar ohne internationale Teilnahme ist ein Bleiben von Andrej Kramaric. Der kroatische WM-Zweite, mit 17 Treffern Hoffenheims Top-Torjäger, hat zwar noch einen Vertrag bis 2022, könnte aber bei einem Wechsel die 100 Millionen Euro an Transfererlösen bei der TSG voll machen. Bei anderen Clubs begehrt sind auch die Stürmer Joelinton und Ishak Belfodil sowie U21-Nationalspieler Nadiem Amiri.

«Jetzt ist der Hunger hoffentlich wieder da fürs internationale Geschäft, was wir dieses Jahr nicht erreicht haben», sagte Nagelsmann. «Da hat der Alfred die Chance, was Gutes und Großartiges aufzubauen, dafür wünsche ich ihm viel Glück.» Sein früherer Assistent kommt als Co-Trainer vom Champions-League-Halbfinalisten Ajax Amsterdam und tritt ein schweres Erbe an.

«Die Enttäuschung ist schon riesig. Ich glaube, das Spiel heute ist Sinnbild der ganzen Saison», sagte Nagelsmann, dessen Team 13 Mal nach einer Führung nicht gewinnen konnte und dadurch unglaublich viele Punkte liegen ließ. Nach den Toren von Ishak Belfodil (12. Minute) und Andrej Kramaric (34.) und der Gelb-Roten Karte für Youngster Christoph Baumgartner noch vor der Pause schleppten sich die Gäste durch das Spiel. Den Tritt des 19-Jährigen gegen den Mainzer Keeper Robin Zentner bezeichnete Nagelsmann später als «einfach dämlich».

«Wir sind alle total geknickt und traurig, dass wir es nicht geschafft haben – auch für Julian, für uns, für den Verein», meinte Torhüter Oliver Baumann. «Er hat uns auf ein anderes Niveau gehoben und hätte es definitiv verdient gehabt.»

Daniel Brosinski hatte für die Rheinhessen per Foulelfmeter nach Videobeweis auf 1:2 (66.) verkürzt. Dem viel umjubelten Treffer von Jean-Paul Boëtius in der 75. Minute zum Ausgleich verweigerte Schiedsrichter Deniz Aytekin nach Betrachtung der TV-Bilder die Anerkennung – wegen Handspiels. Doch Boëtius traf in der 83. und 90. noch doppelt und verwandelte die Opel Arena in ein Tollhaus, ehe Jean-Philippe Mateta (90.+4) sogar noch auf 4:2 erhöhte.


(dpa)

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