Manager mit Macho-Image: Schalke-Legende Assauer ist tot

Herten – Sein Name ist für immer untrennbar mit dem FC Schalke 04 verbunden. In den vergangenen Jahrzehnten prägte niemand den Traditionsverein aus dem Revier so nachhaltig wie Rudi Assauer.

«Ohne diese Fans, ohne diese Tradition, ohne diese religiösartige Bewunderung wäre dieser Verein schon längst tot. Das ist die Philosophie von Schalke 04», sagte Assauer einmal. Und beschrieb damit eindringlich, was ihm der Fußballclub bedeutete.

Schon zu Lebzeiten war er als mächtiger Manager, der Schalke als sein Lebenswerk betrachtete, eine königsblaue Legende. Nun ist Rudolf «Rudi» Assauer, der jahrelang an Alzheimer litt, am Mittwoch im Alter von 74 Jahren gestorben. Das wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Kreisen der Familie bestätigt. Zuerst hatte die «Bunte» über den Tod Assauers berichtet. Er hinterlässt zwei Töchter, Katy und Bettina.

«Entweder ich schaffe Schalke oder Schalke schafft mich», lautet einer der bekanntesten Sätze Assauers. Im Rückblick lässt sich sagen, dass er Schalke geschafft hat. In zwei Amtszeiten (1981 bis 1986 und 1993 bis 2006) war er insgesamt 18 Jahre lang für den Revierclub als Manager tätig. Der große Erfolg stellte sich aber erst ein, als ihn der damalige Präsident, «Sonnenkönig» Günter Eichberg, in höchster Not im April 1993 holte. Schalke lag finanziell am Boden, es drohte der Lizenzentzug. In mühsamer Kleinarbeit gewannen Assauer und seine Vorstandskollegen in den Folgejahren das Vertrauen der Banken und Sponsoren zurück und legten damit die Basis für den späteren sportlichen Erfolg.

In der Saison 1995/1996 schaffte das Team mit Trainer Jörg Berger als Bundesliga-Dritter den Einzug in den UEFA-Pokal. Und Assauer gelang nach der ersten, siegreichen Europacup-Runde gegen Roda Kerkrade der entscheidende Coup: In einer Nacht-und Nebelaktion überzeugte er den damals unbekannten Trainer Huub Stevens, von Kerkrade nach Schalke zu wechseln. Stevens bat Assauer damals, ihn in geheimer Mission zu treffen. «Dann fuhr Rudi mit einem Auto mit Gelsenkirchener Kennzeichen und Schalke-Aufkleber vor», erinnerte sich Stevens lachend.

Mit dem knorrigen Niederländer und dessen Motto («Die Null muss stehen») eroberten die «Eurofighter» um Olaf Thon und Marc Wilmots die europäischen Stadien. Der Höhenflug endete mit dem legendären UEFA-Cup-Sieg bei Inter Mailand am 21. Mai 1997 – bis heute der größte Erfolg der Clubgeschichte und ein Meilenstein. Fast wäre auch der größte Traum in Erfüllung gegangen, als Schalke 2001 kurz vor dem Gewinn der achten deutschen Meisterschaft stand, ehe Bayern München den Königsblauen den Titel mit dem 1:1-Ausgleich in der Nachspielzeit in Hamburg noch wegschnappte.

Die Tränen nach dem letzten Spiel im Parkstadion, als Fans und Spieler nach dem Sieg gegen Unterhaching bereits den Platz stürmten und den vermeintlichen Titel feierten, gingen um die Welt. Die «Meister der Herzen» waren geboren, doch Assauer sagte auf der Pressekonferenz bitter: «Ich glaube nicht mehr an den Fußball-Gott.»

Eine Woche nach dem Tiefpunkt gewann das Team den DFB-Pokal, im Jahr darauf konnten die Königsblauen den Triumph in Berlin wiederholen. Im Siegesrausch ließ Assauer einst den «Pott» fallen, und das gute Stück musste aufwendig restauriert werden. Als Vermächtnis hinterließ Assauer auch sein «Baby», die Schalke-Arena. Das seinerzeit modernste Stadion mit herausfahrbarem Rasen und schließbarem Dach wurde im August 2001 eingeweiht.

Mit dem Wechsel von Stevens zur Hertha im Sommer 2002 neigte sich die erfolgreiche Zeit dem Ende entgegen. Später kam es zum Bruch mit Aufsichtsratschef Clemens Tönnies und den anderen Vorstandsmitgliedern. Längst gab es erste Anzeichen für Assauers Krankheit, die er aber zunächst ignorierte und dann vertuschte. «Man will es nicht wahrhaben. Wenn es eine Sache in der Welt gibt, vor der ich immer Angst habe, so richtig Schiss auf gut Deutsch, dann Alzheimer», gestand er später. «Bloß nicht die Birne.»

Er vergaß Termine und konnte sich an bestimmte Dinge nicht mehr erinnern. Als man ihn als «Frühstücksdirektor» und «Grüßaugust», wie er es empfand, auf das Präsidentenamt abschieben wollte, lehnte er ab. Am 17. Mai 2006 kam er seiner Abberufung durch den Aufsichtsrat zuvor und trat als Manager zurück. Das Ende einer Ära! 2012 machte er seine Erkrankung öffentlich, auch in der Biografie «Wie ausgewechselt – verblassende Erinnerungen an mein Leben» und einer TV-Dokumentation.

Für große Aufmerksamkeit sorgte auch seine Beziehung mit der Schauspielerin Simone Thomalla (2000 bis 2009). «Vom Fußball hat sie keine Ahnung, aber sonst ist die Alte schwer in Ordnung», sagte der stets Zigarren oder Zigarillos rauchende Manager – was ihm den Spitznamen «Stumpen-Rudi» einbrachte – in seiner typisch rauen, aber liebenswerten und ehrlichen Art. Für einen Bier-Werbespot («Nicht gucken, nur anfassen») wurden er und die spätere «Tatort»-Kommissarin 2006 mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet.

Zweimal war Assauer verheiratet. Die Ehe mit Ingrid Assauer wurde zwar erst 2007 geschieden, da lebte das Paar aber schon viele Jahre getrennt. Und die 2011 geschlossene Ehe mit der 21 Jahre jüngeren Britta Idrizi endete nach zwei Jahren in einem Fiasko und Streitereien vor Gericht.

Als seine Mutter Elisabeth im letzten Kriegsjahr 1944 Schutz suchte vor den Bombenangriffen der Alliierten im Ruhrgebiet, kam Assauer im saarländischen Altenwald zur Welt. Gleichwohl gilt er als Kind des Ruhrgebiets. Denn schon zwei Wochen später kehrte die Familie nach Herten zurück, wo er gemeinsam mit seinem um zehn Jahre älteren Bruder Lothar, der ebenfalls an Alzheimer litt und im Februar 2013 starb, und seiner Zwillingsschwester Karin aufwuchs. Karin war es auch, die Rudi durch seine Schulzeit lotste, weil der lieber mit seinen Kumpels auf der Straße Fußball kickte.

«Für mich gab es nichts anderes. Wir haben noch in Trümmern mit Lumpenbällen gespielt. Bei mir war das damals so: Aus der Schule raus, Tonne in die Ecke, was gegessen, meistens Eintopf, und dann bis zur Dunkelheit gepöhlt.» – So beschrieb Assauer die ersten Jahre in Herten. Hausaufgaben habe er nicht machen müssen. «Meine Schwester war in derselben Klasse. Ich habe immer abgeschrieben.»

Während seine Schwester das Gymnasium absolvierte, verließ Assauer mit 14 Jahren die Schule und absolvierte eine Lehre als Stahlbauschlosser. Ein halbes Jahr lang arbeitete er auf der Zeche Ewald in Herten. Später machte er noch eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Doch der Fußball beherrschte sein Leben. Nach Jahren bei der SpVgg Herten wechselte er 1964 zu Borussia Dortmund. Mit dem BVB gewann er auf Anhieb den DFB-Pokal und 1966 an der Seite von Lothar Emmerich, Aki Schmidt und Reinhard «Stan» Libuda den Europapokal der Pokalsieger gegen den hochfavorisierten FC Liverpool. Es war der erste Europacupsieg einer deutschen Clubmannschaft.

119 Bundesligaspiele bestritt der kompromisslose Abwehrspieler für die Borussia, von 1970 bis 1976 kamen 188 für Werder Bremen hinzu, ehe er mit 32 Jahren seine aktive Laufbahn beendete. Und der damalige Werder-Chef Franz Böhmert ihn zum jüngsten Bundesliga-Manager machte.

1981 wechselte Assauer überraschend nach Schalke. Es folgten fünf wechselvolle Jahre, ehe er nach Differenzen mit dem damaligen Präsidenten Hans-Joachim Fenne den Dienst quittieren musste. Danach war er im Immobilienbereich und auch als Manager beim damaligen Zweitligisten VfB Oldenburg tätig.

In dem am 4. Mai 2018 in der Veltins-Arena uraufgeführten Dokumentar-Film über Assauer mit dem Titel «Macher. Mensch. Legende.» erinnerte sich seine langjährige Sekretärin Sabine Söldner an die schwierigen Anfänge ihrer Zusammenarbeit. «Was ist das denn für ein arroganter Pinsel? Kein Tschüss, kein Guten Morgen, kein Dankeschön, so war der Arbeitsalltag», berichtete Söldner über ihren Chef, der in feinem Zwirn und qualmender Zigarre in ihr Büro gestiefelt kam. Aus der anfänglichen Abneigung entwickelte sich später eine enge Freundschaft. Gemeinsam mit Assauers Tochter Bettina Michel kümmerte sich Söldner um ihren «Chef», der in den letzten Monaten im Rollstuhl saß, half bei der Pflege und Betreuung. Bis zuletzt.


(dpa)

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