Klein und flott: Mini-Segways erobern Deutschland

Mainz (dpa) – Auf den ersten Blick scheint Antoine elegant in weiten Kurven auf einem Gehsteig im Rheingau bei Wiesbaden zu schweben. Bei Nähertreten wird klar: Der 13-Jährige fährt auf einem kleinen Vehikel, das sich in Deutschland erst seit Kurzem verbreitet.

Ein Trittbrett, ein Elektromotor, eine Balanceregelung, zwei Räder und kein Griff zum Festhalten: Antoine steuert das Gefährt nur mit Gewichtsverlagerung. Es hat mehrere Namen: Mini-Segway, E-Board, Self Balance Scooter, Oxboard – oder auch Hoverboard. Das allerdings ist irreführend, denn es bezeichnet das schwebende Skateboard ohne Räder in den Filmen «Zurück in die Zukunft» (II und III).

Alexander betreibt das kommerzielle Internet-Vergleichsportal
www.self-balance-scooter.de – und schätzt, dass inzwischen vielleicht 10 000 Mini-Segways in Deutschland herumkurven. «In Amerika gibt es sie schon etwas länger, das sind es noch mehr. Da haben sie auch Promis wie (der Schauspieler) Jamie Foxx und (der Sänger) Justin Bieber bekannt gemacht», sagt der Experte, der seinen Nachnamen nicht nennen will. «Die meisten Käufer von Self Balance Scooters sind jung. Sie finden den Trend cool und wollen oft Aufmerksamkeit erregen.»

Kleiner Haken: Mini-Segways dürfen in Deutschland in der Regel nur auf privatem Gelände gefahren werden, am besten mit Schutzkleidung wie beim Skaten. Mit ihrem Tempo von bis zu 20 Kilometern pro Stunde sind sie für Gehsteige und Fußgängerzonen zu rasant. Für Straßen haben sie keine Zulassung.

Dennoch sagt etwa der zwölfjährige E-Board-Fahrer Merdijan in der Mainzer Fußgängerzone: «Ich habe noch nie Probleme mit der Polizei gehabt. Die hat nur komisch geguckt.» Für viele Polizisten scheinen die Vehikel noch zu neu zu sein, um binnen Sekunden rechtlich genau Bescheid zu wissen. Doch später können interne Recherchen folgen wie etwa im Polizeipräsidium Westpfalz in Kaiserslautern. Die werden im Kollegenkreis weitergegeben, wie eine Sprecherin berichtet. Und dann können Mini-Segways auf Gehsteigen schon mal vorübergehend einkassiert werden. Hohe Geldbußen sind allerdings eher nicht bekanntgeworden. Der Koblenzer Oberstaatsanwalt Rolf Wissen spricht von «juristischem Neuland».

Antoines Schwester Julie hat das dunkelblaue kleine Gefährt der Familie mit blinkenden Lichtern und einem Bluetooth-Lautsprecher zum Musikhören vom Weihnachtsmann bekommen. «Ich habe es auf Youtube gesehen und mir gewünscht», erzählt das elfjährige Mädchen.

Ihre Mutter Michaela, die ebenfalls nicht ihren Nachnamen nennen will, war vorher zunächst nicht begeistert gewesen: In den USA und Großbritannien wurde von Fällen berichtet, bei denen die Akkus in Brand gerieten. «In Deutschland habe ich davon noch nie gehört», versichert der Vergleichsportal-Betreiber Alexander. «Wichtig ist es, einen Self Balance Scooter nicht für weniger als 200 Euro und ohne Zertifizierung zu kaufen.» Michaela sagt, sie sei inzwischen beruhigt und fahre auch mal selbst mit dem Vehikel mit Sicherheitszertifikat. «Wir laden den Akku vorsichtshalber auch immer nur in unserer Anwesenheit auf.» Zwei bis drei Stunden dauere das.

Antoine sagt: «Ich hole mit dem Scooter auch unsere Brötchen. Das macht gleich mehr Spaß.» Manchmal fährt er mit seiner Schwester auch eng aneinandergelehnt zu zweit auf dem zehn Kilo schweren Board durch die Wohnung – oder baut dort einen Parcours mit Wasserplastikflaschen auf. Wer ist schneller? Mama Michaela stoppt die Zeit, jeder gewinnt einmal. Die Geschwister sind geschickt. Alles können aber auch sie noch nicht. Julie sagt bewundernd: «Auf Youtube habe ich einen gesehen, der ist im Handstand damit gefahren.»





(dpa)