Kinder schlucken mehr Antibiotika als Erwachsene

Eine Studie lässt vermuten, dass Kindern viel zu häufig unnötig Antibiotika verabreicht werden, weil es in der Nähe keinen Kinderarzt gibt. Die am Mittwoch in Gütersloh veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung legt auch den Schluss nahe, das die Behandlung von Kindern von geografischen Faktoren abhängt.

Anscheinend ist die Wahrscheinlichkeit Antibiotika verschrieben zu bekommen mitunter auch vom Wohnort eines Kindes abhängig: Kinder im Nordosten erhielten doppelt so häufig Antibiotika wie Kinder in Süddeutschland, so die Studie. 

Weniger Kinderärzte bedeuten mehr verschriebene Antibiotika

Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands, Wolfram Hartmann, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Köln: „Die Erklärung scheint zu sein, dass Antibiotika häufiger Kindern verordnet werden, wo weniger Kinderärzte niedergelassen sind.“ Hartmann sieht in der Studie der Bertelsmann Stiftung eine Bestätigung der seiner Theorie. Kinder bekommen weniger Antibiotika, wenn ein Kinder-und Jugendarzt für ihre Behandlung zuständig ist. „Sie wissen zum Beispiel, dass bei einer nicht eitrigen Mittelohrentzündung Antibiotika nur in Ausnahmefällen angezeigt sind“, sagte Hartmann. „Zudem kennen sie ihre jungen Patienten oft von Geburt an und können Beschwerden besser einschätzen als andere Fachgruppen, zu denen die Kinder und Jugendlichen nur in Ausnahmefällen gehen, und die sie dann aufgrund des hohen Drucks, viele Patienten in kurzer Zeit zu behandeln, schnell mit einem Antibiotikum versorgen.“

Kinder erhalten mehr Antibiotika als Erwachsene

Der Studie der Stiftung zufolge werden Kindern deutlich häufiger Antibiotika verschrieben als Erwachsenen. Bundesweit werde jedem zweiten Kind zwischen drei und sechs Jahren mindestens ein Antibiotikum pro Jahr verschrieben – deutlich mehr als Erwachsenen. Grundlage der repräsentativen Studie bildeten die Patientendaten einer großen Krankenversicherung.

Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte bei der Bertelsmann Stiftung, erklärte: „Bei nicht eitrigen Mittelohrentzündungen, bei denen Antibiotika laut Leitlinien nur in Ausnahmefällen angezeigt sind, verordneten 33 Prozent der Hausärzte Antibiotika, aber nur 17 Prozent der Kinderärzte und 9 Prozent der HNO-Ärzte“. Aber auch der umgekehrte Fall ist keine Seltenheit, Hausärzte verschreiben kein Antibiotikum obwohl die deutlich angezeigt ist. „Bei Lungenentzündung, wo die Verordnung von Antibiotika angezeigt ist, waren es 80 Prozent der Kinderärzte, aber nur 66 Prozent der Hausärzte“, erläuterte Etgeton.