Kerbers emotionale Rückkehr nach Wimbledon – Titel als Ziel

London – Diese Rückkehr nach Wimbledon ist für Angelique Kerber sehr speziell. Die Bilder von ihrem Triumph im Vorjahr tauchen wieder auf, die überwältigenden Emotionen sind präsent.

Als Finalistin von Eastbourne reiste sie am Wochenende in den Südwesten Londons, an den Ort ihres größten Coups. Im außergewöhnlichen Flair der traditionsreichen Tennis-Anlage, das Kerber gern als magisch beschreibt, will sie der schwierigen Auslosung und den wechselhaften Monaten trotzen und sich wieder einen Weg zum Titel bahnen.

Es bedeute ihr «sehr viel», hier als Wimbledon-Champion anzutreten. «Ich freue mich, wieder da zu sein, dieses Gefühl zu haben, diese Energie» zu spüren, sagte die 31-Jährige: «Ich versuche, so weiterzuspielen, wie ich im letzten Jahr gespielt habe.»

Schnell wanderten ihre Gedanken nach ihrem verlorenen Endspiel von Eastbourne zum in der neuen Woche beginnenden Grand-Slam-Turnier. Auch davon, dass sie beim 1:6, 4:6 gegen eine «perfekt» spielende Weltranglisten-Dritte Karolina Pliskova am Samstag relativ chancenlos war, ließ sie sich ihre Zuversicht nicht nehmen.

Ungewohnt offen ging Kerber im Vorfeld mit ihren Ambitionen um: «Ich will meinen Titel verteidigen. Das ist mein großes Ziel», sagte sie. Erst fünf Spielerinnen ist das in der Geschichte des Profi-Tennis seit 1968 gelungen. Doch die einstige langjährige Bundestrainerin Barbara Ritter traut es ihr zu: «In dem Moment, als ich ihre ersten Punkte auf Mallorca auf Rasen sah, dachte ich mir, sie verteidigt den Titel in Wimbledon», sagte die 46-Jährige der «Bild am Sonntag».

Am Montag hat Kerber – anders als Alexander Zverev als großer deutscher Hoffnungsträger bei den Herren – noch einen Ruhetag. Wie traditionell üblich hat die Titelverteidigerin am Dienstag die Ehre, das erste Spiel auf dem Centre Court zu bestreiten.

Für die Auftaktpartie gegen die Schwäbin Tatjana Maria wird Kerber also zurückkehren auf den weltweit berühmtesten Platz, den ihre Sportart zu bieten hat und der wie kein anderer mit deutschen Tennis-Erfolgen verknüpft bleibt. Am 14. Juli 2018 kürte sich Kerber hier zur ersten deutschen Wimbledonsiegerin seit Steffi Graf 1996.

Ihr Name ist nun auf der langen Siegertafel am Gang unter der Tribüne des Centre Courts verewigt. Auch ein Bild, wie sie mit verbissener Mimik eine Rückhand schlägt, würdigt dort ihren Triumph. «Dieser Sieg war das pure Glücksgefühl. Auch jetzt, nach einem Jahr, kommen diese Emotionen immer wieder hoch», sagte die ehemalige Nummer eins.

Mit dem Erreichen des Halbfinals auf Mallorca und des Endspiels in Eastbourne hat sich Kerber auf das Grand-Slam-Turnier eingestimmt. Die misslungene Sandplatz-Saison mit einem Infekt, einer Knöchelblessur und dem Erstrunden-Aus bei den French Open als Tiefpunkt scheint vergessen. «Kerber und Rasen, das ist so eine Einheit. Alle vermeintlichen Schwächen von ihr werden auf Gras neutralisiert. Ihr Linkshänder-Aufschlag bringt mehr freie Punkte», urteilte Rittner: «Sie ist für mich die perfekte Rasen-Spielerin.»

Anders als 2017, als bei den Australian Open im Achtelfinale und bei den US Open in Runde eins Schluss war, soll Kerber die Rolle als Titelverteidigerin jetzt nicht zum Verhängnis werden. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin zählt zum Kreis der Titelanwärterinnen. Im Damen-Tennis ist wie zuletzt oft keine klare Favoritin auszumachen.

Eine verlässliche Prognose aber zum Abschneiden der Nummer fünf der Welt scheint unseriös. Zu wechselhaft verlief die Saison. Zu schwierig wirkt die Auslosung mit möglichen Gegnerinnen wie der letztjährigen Final-Kontrahentin Serena Williams im Achtelfinale sowie der French-Open-Gewinnerin Ashleigh Barty im Viertelfinale.

Der erste Schritt soll Kerber im deutschen Duell mit der unangenehm spielenden Weltranglisten-65. Maria gelingen. «Es wird kein leichtes erstes Match, auch mental nicht», räumte die Linkshänderin ein. Da können die Erinnerungen an den Sommer 2018 noch so präsent sein.


(dpa)

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