Hochburg der Raukopierer: China

China ist als Absatzmarkt in das Interesse westlicher Firmen gerückt – die Nachfrage boomt seit Jahrzehnten. Leider gehört das Land jedoch auch zu einer der Regionen, in denen Filme und digitale Medien an jeder Straßenecke als unlizenzierte Kopie verkauft werden – trotz einiger Fortschritte gilt das nicht einmal als Kavaliersdelikt, sondern schlicht als selbstverständlich. Leiden tut darunter besonders die Unterhaltungs- und Softwarebranche.

Lange Zeit gab es kein geistiges Eigentum

Dass sich die Lage derart entwickelt hat, hat auch etwas mit den Besonderheiten der asiatischen Kultur zu tun. In der alten chinesischen Kultur galt das Anfertigen von Kopien als eine Ehre für den Schöpfer – es wurde dementsprechend nicht nur wohlwollend toleriert, sondern sogar gefördert und vom Autor erfreut zur Kenntnis genommen. Geistiges Eigentum war praktisch unbekannt, lediglich Geschäfts- und Staatsgeheimnisse mussten mit allen Mitteln geheim gehalten werden. Kulturelle Güter wie Musik oder heute Filme hingegen wurden frei kopiert, weitergegeben und nach eigenem Belieben vervielfältigt. Erst Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts änderte sich die staatliche Haltung – und das auch nur auf internationalen Druck hin. Die Bevölkerung hingegen interessiert sich nur sehr wenig dafür.

Zwischen billigem Schrott und hochwertigen Originalen

Entgegen der weit verbreiteten Annahme handelt es sich bei einem Teil der in China verkauften Raubkopien keinesfalls um billige Fälschungen – ganz im Gegenteil, sie entsprechen in Qualität und Lieferumfang mitunter genau den Originalen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Beides stammt nicht selten aus derselben Fabrik. Produziert diese tagsüber beispielsweise offizielle und lizenzierte Musik-CDs, war es lange Zeit üblich, die Fertigung auch nachts fortzusetzen – dieses Mal allerdings für den heimischen Markt. Wegen der niedrigen Stückkosten sind solche illegalen Überproduktionen nicht teurer als eine privat angefertigte Kopie, äußerlich aber kaum oder gar nicht vom Original zu entscheiden. Bei einer solchen Praxis ist es kein Wunder, dass es legale Download-Plattformen hier schwer haben. Selbst das erfolgsverwöhnte Unternehmen Apple kann hier mit seinem iTunes nicht einmal annähernd an die Umsätze in den USA anknüpfen. Trotzdem sehen Investoren großes Potential in China. So hat etwa Carsten Maschmeyer viel Geld in das Berliner Start-up 88tc88 gesteckt, das versucht, mit einem ähnlichen Konzept wie iTunes auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen.

Effektive Gegenmaßnahmen fehlen

Entgegen offizieller Aussagen wird diese Praxis noch immer geduldet – spektakuläre Aktionen beschränken sich oft darauf, einzelne Läden oder ganze Straßenzüge mit Händlern zu schließen. Am nächsten Tag werden diese mit neuen Musik-CDs wieder eröffnet, der Verlust ist einkalkuliert und wird von den Großhändlern übernommen. Die Betroffenen sind angesichts dieses Umstands weitgehend machtlos – es bleibt ihnen höchstens, den chinesischen Markt komplett zu ignorieren, wie es der Softwarehersteller Adobe über eine Dekade lang gemacht hat.


Thinkstock, iStock, Scott Vickers