Hannover 96 nach dem Absatieg vor radikalem Umbruch

Hannover – Nur eine Stunde nach dem feststehenden Abstieg sprach Thomas Doll eine Warnung aus. «Die Zweite Liga in Deutschland ist eine harte Kiste», sagte der Trainer von Hannover 96. «Da brauchst du Spieler, die das auch annehmen.»

Seit dem 33. Spieltag ist trotz eines 3:0 (1:0)-Sieges gegen den SC Freiburg klar, dass die Niedersachsen sich zum sechsten Mal nach 1974, 1976, 1986, 1989 und 2016 aus der Fußball-Bundesliga verabschieden müssen. Dreimal gelang nach nur einem Jahr der sofortige Wiederaufstieg. Doch wie lange es diesmal mit der erhofften Rückkehr dauern wird, lässt sich angesichts vieler offener Fragen nur sehr schwer einschätzen.

Der Hauptgesellschafter Martin Kind sagte unmittelbar nach dem so überzeugenden wie am Ende wertlosen Sieg gegen Freiburg in einem Sky-Interview: «Wir sind offen für einen Neuanfang. Wie der sich darstellen wird, kann ich nicht beantworten.»

Zweieinhalb Monate vor dem Beginn der nächsten Zweitliga-Saison (26. bis 29. Juli) hat der Verein bislang weder einen neuen Sportdirektor verpflichtet noch die Trainerfrage geklärt. Und auch von den 14 Spielern, die am Samstag an dem letzten und auch mit Abstand besten Heimspiel dieses Jahres beteiligt waren, können oder wollen die 96er maximal vier behalten (Bakalorz, Maina, Prib, Weydandt). Die anderen sind entweder schon verkauft (Füllkrug), werden nicht mehr gebraucht (Sorg), werden nur schwer zum Bleiben zu bewegen sein (Anton) oder sind fest zur Einnahme weiterer Transfererlöse vorgesehen (Bebou).

Die Fans von Hannover 96 haben also eine desaströse Saison hinter und eine ungewisse Zukunft vor sich. Umso bemerkenswerter war es, wie sie am Samstag mit der Gewissheit des Abstiegs umgingen: Sie feierten die Mannschaft minutenlang. «Das war ein Gänsehautmoment», sagte Kapitän Marvin Bakalorz. «Hannover ist eine Fußballstadt.»

Alle Hoffnungen auf den Klassenerhalt waren trotz der Tore von Waldemar Anton (39.), Ihlas Bebou (51.) und Walace (81.) schnell dahin. Dafür sorgte der Sieg des VfB Stuttgart gegen den nicht allzu hilfsbereiten niedersächsischen Nachbarn aus Wolfsburg (3:0). Aber wenigstens der Konjunktiv regierte noch einmal für einen Nachmittag in Hannover. Was wäre möglich gewesen, wenn so veranlagte Spieler wie Linton Maina, Niclas Füllkrug und vor allem Bebou nicht so lange verletzt gewesen wären? Oder wenn diese Saison nicht am 18. Mai, sondern vielleicht erst vier Wochen später enden würde?

«Man hat gesehen, was in dieser Mannschaft steckt», sagte Bakalorz. «Aber das kam deutlich zu spät.» Die völlig verfehlte Transferpolitik vor dieser Saison. Der Ausfall der besten Spieler. Elf Niederlagen in den ersten zwölf Rückrunden-Partien. Das alles hat auch die positive Entwicklung der vergangenen Wochen nicht mehr aufwiegen können.

Kind machte am Samstag noch einmal deutlich, dass er diesen Abstieg in erster Linie dem ehemaligen Manager Horst Heldt und dem ehemaligen Trainer André Breitenreiter anlastet – und nicht dem erst Ende Januar verpflichteten Doll. Ob das trotzdem für eine Weiterbeschäftigung des früheren HSV-Coaches reicht, wollen beide in einem Gespräch nach dem letzten Spiel in Düsseldorf klären.

Für Doll spricht, dass er vertraglich noch bis 2020 an den Verein gebunden ist und sich einen Verbleib in Hannover offenbar gut vorstellen kann («Ich habe gemerkt, dass mir die Arbeit trotz der vielen Niederlagen Spaß macht»). Gegen ihn spricht, dass seine Rettungsmission trotz aller Fortschritte gescheitert ist und dass Kind in der Zweiten Liga einen radikalen Umbruch anstrebt. «Ich würde mich freuen, wenn Hannover 96 in einem Jahr wieder zurückkehrt. Das ist wichtiger als meine persönliche Situation», sagte Doll.


(dpa)

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