Emotionale Erpressung: Wenn Partner mit Liebesentzug drohen

Mannheim – Nicht selten wird in einer Beziehung der Partner unter Druck gesetzt. Der andere soll genau so handeln oder sich verhalten, wie man es gerne hätte. Klappt das nicht, dann wird bei dem anderen eine Art Schuldgefühl erweckt. Mit Schmollen, Stöhnen oder Weinen etwa.

Die Mannheimer Psychologin Doris Wolf spricht von emotionaler Erpressung. Kommt der eine dem Wunsch des anderen nach, wird er mit Zuwendung belohnt. Pariert er nicht, dann gibt es Liebesentzug.

Um letzteres abzuwenden, fügt der Partner sich. Oft völlig unbewusst. «Der Betroffene handelt, weil er Angst hat, den anderen zu enttäuschen oder zu verlieren», sagt die Frankfurter Psychologin Christine Backhaus. Derjenige, der sich dem anderen fügt, macht dieses oder jenes nicht aus innerer Überzeugung, sondern aus einem Pflichtgefühl heraus. Er fühlt sich verantwortlich dafür, dass es dem anderen gut geht und möchte sich dessen Unwohlsein nicht vorwerfen müssen. «Wenn jemand merkt, dass er oder sie mit dieser Masche durchkommt, wird er oder sie den Partner immer wieder manipulieren», erklärt Frauke Petras von pro familia in Berlin.

Gängige Vorgehensweisen sind etwa: «Wenn Du mich nur lieben würdest, dann würdest Du …» – «Was habe ich alles für Dich getan und was tust Du?» – «Der Mann meiner Freundin macht doch auch …» – «Wenn Du es nicht machst, dann muss ich halt auf meinen Feierabend verzichten.»

Das klingt teils hart – und das soll es in der jeweiligen Situation auch sein. «Im Grunde genommen fühlt sich der Partner, der manipuliert, in der Opferrolle», sagt Wolf. Vielleicht ist es ein Schrei nach mehr Anerkennung und Zuwendung, er fühlt sich nicht genug gewürdigt. «Das kann auch mit einem zu geringen Selbstwertgefühl zu tun haben», erläutert Backhaus.

Vielleicht hat einer aber auch riesige Erwartungen an die Beziehung und meint, nicht glücklich sein zu können, wenn der andere diese nicht erfüllt. Möglich ist auch, dass jemand seine Wünsche nicht äußert und stillschweigend erwartet, dass der andere sie erfüllt. Bleibt dies aus, dann wird der andere irgendwann emotional erpresst.

«Oft sind das Verhaltensmuster, die in der Familie seit eh und je vorhanden sind», erklärt Backhaus. Wenn man schon als Kind erlebt hat, dass der eine Elternteil beim anderen mit einer bestimmten Masche seinen Willen durchsetzen konnte, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man als Erwachsener in einer vergleichbaren Situation es ebenfalls versucht. Das setzt voraus, dass der Partner überhaupt ein Typ ist, der sich emotional erpressen lässt. Das seien oft harmoniebedürftige, konfliktscheue Menschen, sagt Wolf.

«Hat der eine Partner den Eindruck, dass ihn der andere manipuliert, dann sollte er es klar ansprechen», rät Petras. Ähnlich sieht es Wolf. Überhäuft der Partner einen mit Vorwürfen, dann sollte der andere darauf eingehen und etwa sagen «Lass mich verstehen, weshalb Du jetzt so ärgerlich bist. Was schlägst Du vor, was ich tun kann, damit für Dich die Gerechtigkeit wieder hergestellt ist?» Eine andere Möglichkeit kann laut Wolf die Bitte an den Partner sein, künftig offen über Erwartungen zu sprechen – «damit man sie eher erfüllen oder erklären kann, wieso das nicht geht.» Ein Partner sollte auch ansprechen, wie es ihm geht, wenn der andere ihn unter Druck setzt.

Jeder muss sich aber auch bewusst machen, dass für seine Gefühle der Partner selbst verantwortlich ist. «Auch wenn jemand nicht nach den Vorstellungen des anderen funktioniert, ist er längst kein schlechter Mensch», betont Wolf. Vielleicht muss man in der einen oder anderen Situation aber auch akzeptieren, dass der Partner sich schlecht fühlt – aber nicht die Schuld dafür bei sich suchen – beispielsweise: «Es ist schade, dass Du das so siehst. Dann musst Du Dich schlecht fühlen. Ich tue das nicht, um Dir weh zu tun.»

Professionelle Hilfe sollten Paare dann holen, wenn einer aufgrund des Verhaltens des anderen permanent ein schlechtes Gewissen hat und sich schlecht fühlt, depressiv wird oder eine Angststörung entwickelt oder körperliche Probleme wie etwa Schlafstörungen hat. «Je eher Hilfe in Anspruch genommen wird, desto besser», erklärt Petras. Dann kann ein Therapeut oder Psychologe Kommunikationsstile und Verhaltensmuster offenlegen und vermitteln, wie einer seine Bedürfnisse gegenüber dem anderen adäquat äußern kann. Vielleicht lautet aber auch die Botschaft: die Erwartungen an den Partner reduzieren.

Literatur:

Dr. Doris Wolf: «Wenn Schuldgefühle zur Qual werden», PAL-Verlag, ISBN-13: 9783923614684, 14,80 Euro


(dpa/tmn)

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