Ein Onlinekatalog zeigt die Freiheiten der Grammatik

Zürich – «Seit Anfang Monat verkehrt ein Schiff zwischen Rorschach und Lindau» – für manche deutsche Ohren muss es zwar eigentlich «des Monats» heißen, aber nach dem gerade erschienenen Nachschlagewerk über grammatische Gepflogenheiten in der deutschen Sprache ist der Satz in Ordnung.

Forscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in sieben Jahren Arbeit einen Onlinekatalog
«Variantengrammatik» geschaffen, der zeigt, welche grammatische Konstruktionen im deutschen Sprachraum gebräuchlich sind.

«Bei der Rechtschreibung gibt es den Rat für deutsche Rechtschreibung als oberste Instanz, aber bei der Grammatik gibt es niemanden, der über richtig und falsch entscheidet», sagte Sprachwissenschaftlerin Christa
Dürscheid von der Universität Zürich.

Heißt es «an Ostern» oder «zu Ostern»? «Im Voraus» oder «zum Voraus»? Wird etwas «fixfertig» installiert oder sind die Pläne «fix und fertig»? Alle diese Varianten sind in verschiedenen Regionen gebräuchlich. Auch «weil»-Varianten wie diese fanden die Forscher: «Das ist interessant, … weil es dauert doch ein halbes Jahr.» Es kam vor allem in direkten oder indirekten Zitaten vor, wie sie festhalten, also in Äußerungen, die ursprünglich dem Mündlichen entstammten.

Die Baden-Württembergerin hat mit Kollegen Tausende Zeitungsartikel aus dem deutschsprachigen Raum ausgewertet. Wenn grammatische Konstruktionen und Wortbildungsmuster in bestimmter Häufigkeit vorkamen, wurden sie in die Datenbank aufgenommen, die auf einer Karte auch den Raum zeigt, in dem die Varianten üblich sind. Der Schwerpunkt lag auf der geschriebenen Sprache.

Dürscheid kam vor mehr als 15 Jahren in die Schweiz und hatte ein Schlüsselerlebnis, als ihre Kinder mit einem Elternbrief aus der Schule kamen. «Bereits liegt in den Alpen Schnee», hieß es da, nicht, wie es sich für deutsche Ohren korrekter anhören würde: «In den Alpen liegt bereits Schnee.» «Das kommt aus der Schule, das kann wohl kein Fehler sein», habe sie damals gedacht. Der Elternbrief habe ihr Forscherinteresse geweckt.

«Es ist ein berechtigtes Anliegen, wissen zu wollen, was falsch und was richtig ist», sagt Dürscheid. «Aber Sprachgebrauch lässt viel Variation zu.» Heißt: Grammatische Formen, die sich für manche falsch anhören, sind anderswo gebräuchlich.


(dpa)

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