Ehen halten länger: Was steckt hinter diesem Trend?

Wiesbaden (dpa) – Die Menschen in Deutschland heiraten später und bleiben länger ein Ehepaar. Männer sind im Durchschnitt 37,8 und Frauen 34,8 Jahre alt, wenn sie sich das Ja-Wort geben. Damit sind beide sechs Jahre älter als vor gut 20 Jahren.

Die Zahl der Scheidungen geht seit Jahren zurück. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum lassen sich weniger Paare scheiden?

Viele treten gar nicht oder später vor den Altar. Eine Schwangerschaft ist nicht mehr automatisch Grund zu heiraten, sagt der Berliner Familientherapeut Achim Haid-Loh. Mehr als jedes dritte Kind kommt nichtehelich auf die Welt.
Evelyn Grünheid vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung sagt: «Junge Leute heiraten eher, wenn sie traditionell eingestellt sind.» Wer so ticke, lasse sich auch nicht so schnell scheiden. Andere Paare hält die Skepsis vor der Ehe vom Ja-Wort ab – oder sie haben gute Erfahrungen mit dem Zusammenleben ohne Trauschein gemacht. Grünheid nennt noch einen Grund: «Berufstätige, unabhängige Frauen sind mit ihrem Leben zufriedener und meistern kritische Phasen in der Ehe eher.»

Woran zerbrechen die meisten Ehen?

Die Kluft zwischen Partnerschaftsideal und Wirklichkeit belastet nach Einschätzung von Haid-Loh viele Beziehungen. Die allermeisten Frauen und Männer hielten es für ideal, wenn beide Partner arbeiten und sich gemeinsam um Haushalt und Kinder kümmern. Dies gelinge aber nur einem Bruchteil. Der Bielefelder
Paartherapeut Detlef Vetter sagt: Die gestiegenen Anforderungen der Arbeitswelt führten dazu, dass beide Partner in der Beziehung vor allem «versorgt werden», aber nicht investieren wollten. So verlören sie nach und nach den Kontakt zueinander. Frauen und Männer hätten auch unterschiedliche Ansprüche. «Für Frauen ist es wichtiger, dass die Beziehung gut läuft», berichtet Vetter aus der Praxis. «Männer beginnen eher eine Affäre.»

Gibt es besonders kritische Lebenssituationen?

Wenn rund um die Geburt des ersten Kindes auch noch ein Haus gebaut wird, sagt Vetter. «Dann ist das Haus fertig und die Beziehung auch.» In der Midlife-Crisis wollten viele noch mal ein anderer sein. «In meiner Praxis waren in den letzten Jahren auffällig viele, die sich beim 25. Abiturtreffen wieder in ihrer Jugendliebe verliebt haben.»

Wie viele Kinder sind von den Scheidungen ihrer Eltern betroffen?

Fast 132 000 Jungen und Mädchen waren es 2015. Dazu kommen noch einmal 65 000 bis 66 000 Kinder, deren unverheiratete Eltern sich getrennt haben, schätzt Haid-Loh vom Evangelischen Zentalinstitut für Familienberatung.

Haben es Scheidungskinder schwerer als andere Gleichaltrige?

«Die Nachteile sind begrenzt», sagt die
stellvertretende Direktorin des Deutschen Jugendinstituts, Sabine Walper. «Aber in den üblichen ein, zwei Jahren, die Trennungsfamilien brauchen, um sich wieder neu zu finden, die schlimmsten Konflikte zu schlichten und alle Regelungen zu treffen, geht es den Kindern erstmal schon deutlich schlechter.» Gerade wenn der Übergang zur weiterführenden Schule in diese Zeit falle, könne sich dies auswirken. Bei jüngeren Kindern hätten Jungen in der Regel eine höhere Sensibilität für Konflikte in der Partnerschaft, nach der Pubertät reagierten eher die Mädchen auf familiäre Belastungen.

Was sollten Eltern ihren Kindern bei einer Scheidung unbedingt ersparen?

«Dauerhafte Zerwürfnisse der Eltern, Konflikte die weiter schwelen, sind eine Hypothek», sagt Forschungsdirektorin Walper. «Wenn es den Eltern gelingt, mit der Scheidung auch einen gewissen Frieden zu finden, die Grenzen des anderen zu respektieren und die bösen Erinnerungen beizulegen, dann ist viel gewonnen.» Dies sei aber eine große psychische Leistung und professionelle Hilfe dabei sehr ratsam. Besondere Begleitung brauchen nach Einschätzung von Haid-Loh die Kinder aus den 15 bis 20 Prozent strittigen bis hochstrittigen Trennungsfamilien. Aber auch Kinder, deren familiäre Konstellation sich häufig ändert.

Frauen reichen häufiger die Scheidung ein als Männer. Dieser Anteil steigt noch mit der Zahl der Kinder. Warum?

Männer in Familien mit vier und mehr Kindern hätten möglicherweise eher Vorbehalte gegen eine Scheidung, weil die Unterhaltszahlungen eine sehr hohe finanzielle Belastung für sie sein könnten, gibt Walper zu bedenken. Familien mit mindestens vier Kindern seien oft Patchworkfamilien. In diesen Familien hätten die Eltern Studien zufolge meist weniger traditionelle Vorstellungen von Ehe und Partnerschaft und häufig bereits eine Trennung erfolgreich bewältigt. «Das könnte bei den Müttern die Schwelle für eine Scheidung senken.»

(dpa)