Darf ich lachen, wenn anderen ein Missgeschick passiert?

Berlin – Manche Frage traut man kaum zu stellen – nicht einmal dem Partner, auch nicht einem Arzt oder Anwalt. Wie gut, dass einen Freund gerade dasselbe Problem beschäftigt. Fragen wir mal für ihn… Die Frage heute: Darf ich lachen, wenn jemand unerwartet auf dem Bürgersteig ausrutscht?

Ist Schadenfreude verwerflich? Die Antwort: «Schadenfreude ist nicht gleich Schadenfreude», sagt der Psychologe Ralph Schliewenz. Es gebe einen Unterschied zwischen der Freude darüber, dass jemand anderem etwas Schlechtes widerfahre und Situationskomik. «Sich darüber zu freuen, dass es anderen schlecht geht, ist sozial sicher nicht anerkannt.» Anders sei das aber bei Slapstick.

Der Grund: Das Lachen über ein Missgeschick sei in erster Linie eine Reaktion auf eine unerwartete Situation. «So funktionieren ja auch Witze», sagt Schliewenz, der Vorstandsmitglied der Sektion Klinische Psychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) ist. «Ich schaffe einen Rahmen und bette darin eine unvorhergesehene Wendung ein.» Das löse bei Mitmenschen oft automatisch Lachen aus. Ein normales Verhalten.

Stellt sich dennoch die Frage: Darf ich über Missgeschicke anderer lachen? «Warum denn eigentlich nicht?», antwortet der Psychologe mit einer Gegenfrage. Schließlich sei das Lachen eine direkte Reaktion auf die Situation. «Bei Situationskomik kann ich das nicht verhindern.» Wer das Lachen an solchen Stellen unterdrücken will, müsse dafür hart trainieren.

Entscheidend ist aus Sicht des Psychologen daher nicht das Lachen an sich, sondern das weitere Verhalten nach einem Missgeschick anderer. «Wichtig ist, dass wir die Kontrolle zurückerlangen und dann sozialadäquat reagieren und nachfragen, ob wir etwas für den anderen tun können.»

Stürzt etwa ein Passant und man hat darüber zunächst gelacht, sollte man dem Gestürzten seine Hilfe anbieten und sich auch dafür entschuldigen, dass man gelacht hat. «Wer es hingegen nötig hat, sich an dem Schaden von anderen zu erfreuen, hat in der Regel selber nichts zu lachen.»


(dpa/tmn)

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