Abschied nehmen mit der Hilfe von Trauerrednern

Beckingen – Sie wird gerufen in Momenten tiefster Trauer. Zu Eltern, die gerade ihre vierjährige Tochter verloren haben. Zum Mann, der seine Frau nach langer Brustkrebserkrankung verabschieden muss. Oder zu einem Paar, dessen Baby nach einer Frühgeburt starb.

Stefanie Kiefer spricht mit den Angehörigen über die Toten. Intensiv. Sie versucht möglichst viel zu erfahren, zu greifen – denn sie hält die letzte Rede. Über den Gestorbenen und sein Leben. Die 37-Jährige aus Beckingen im Saarland ist Trauerrednerin und gestaltet weltliche Bestattungen, wie sie bundesweit zunehmend nachgefragt werden.

Trauernde wollen den Abschied mitplanen

«Ich denke, es ist die persönlichere Art der Beerdigung», sagt Kiefer über die nicht-religiösen Abschiedsfeiern. Darauf komme es vielen Menschen an. Ungefähr 20 Minuten lang rede sie ausschließlich über einen Verstorbenen. Wie er so war, was er mochte, was er erlebt hat. Oder wenn es kleine Kinder waren, auch über deren Umfeld, die Familie. Viele der Menschen, die sie in Anspruch nehmen, seien kirchenfern. Die meisten seien zwar noch in der Kirche. «Sie haben aber keinen Bezug mehr.» Und sie wollten mitbestimmen, wie Abschied genommen werde – und nicht der Kirche «ausgeliefert sein».

Die Nachfrage nach Trauerrednern wachse, sagt der Vorsitzende der
Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier, Uwe Cayler, in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt). Im einst sozialistischen Osten Deutschlands seien auch aufgrund der historischen Entwicklung rund 80 Prozent der Beerdigungen weltliche Feiern. Im Norden Deutschlands trete auch bereits bei ungefähr sechs oder sieben von zehn Abschieden ein Trauerredner auf. Im Westen der Republik, schätzt er, liege der Anteil bei 50 Prozent und im katholisch geprägten Bayern sei es umgedreht: Da seien acht von zehn Beerdigungen kirchlich.

Der Abschied muss zum Verstorbenen passen

«Wir stellen fest, dass bundesweit der Anspruch wächst, individuell von der Welt gehen zu dürfen», sagt Cayler. «Es soll ein Abschied sein, der gerecht wird – und er muss passen.» Dazu gehöre neben einer persönlichen Rede auch Musik, wenn das gewünscht werde. «Ich habe schon mal für einen jungen Menschen, der AC/DC-Fan war, „Highway to Hell“ gespielt.» Eine Trauerfeier sei jedes Mal eine Premiere. «Und wir haben nur eine Chance. Wir können ja nicht sagen, „Oh, das war komplett schief, das machen wir morgen nochmal“».

Trauerrednerin Kiefer, die seit vier Jahren durchs Saarland bis nach Trier und in die rheinland-pfälzische Eifel unterwegs ist, sagt: «Es könnte einem doch im Grunde kaum etwas Schlimmeres passieren als eine miese Trauerfeier.» Sie gebe ihren Text vorher den Angehörigen zum Gegenlesen: «Damit auch wirklich das drin steht, was sie wollen.» Sie lasse auch Platz für Individuelles bei der Feier: Musik, die zu dem Verstorbenen passe. Oder rege auf Wunsch beim Bestatter an, dass Kleinigkeiten mit ins Grab oder zur Urne gegeben werden.

Puppen, Zigaretten, Schnappsgläser

Das könnten Schokolade, eine Puppe oder Bilder sein. «Es waren aber auch schon mal Zigaretten, weil der Verstorbene gerne rauchte. Oder ein kleines Schnapsglas.» Natürlich sei ein Abschied unendlich traurig. Dennoch wollten viele Angehörige die Trauerfeier «in schöner Erinnerung» behalten. «Schön und traurig schließt sich nicht aus, das passt zusammen», sagt Kiefer, die im Schnitt um die 15 Stunden an einer Rede feilt. Wichtig seien auch Momente der Stille: Bei einer Trauerfeier könne ein Vaterunser gebetet werden, wenn gewünscht.

Die Zahl der katholischen Bestattungen ist in den vergangenen Jahren rückläufig. 2017 gab es nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz rund 244.000, ein gutes Viertel aller Sterbefälle in Deutschland. 1990 standen noch etwa 300.000 katholische Bestattungen in der Statistik. Evangelische Bestattungen waren es im Jahr 2016 knapp 272.000. Bei weltlichen Trauerfeiern übernimmt der Trauerredner viel von der Funktion des Geistlichen.

Manche Schicksale belasten

Es gebe Schicksale, die sie sehr beschäftigten, sagt die Saarländerin. Manche seien auch belastend. Wie das Schicksal einer Mutter, die nach acht Monaten Krankheit starb und zwei kleine Kinder hinterließ. Oder das einer Vierjährigen, die plötzlich ohne Vorgeschichte starb. «Mit der Beerdigung kann ich dann aber gut abschließen. In der Zeit davor lasse ich es zu, dass mich dieses Schicksal so sehr beschäftigt. Mein Mann ist mir da eine sehr große Stütze.»

Cayler von der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier, die rund 90 Mitglieder zählt, berichtet auch von Fällen, «die einem in die Seele gebrannt bleiben». Nach einem Brand in einem Obdachlosenheim Ende 2005 in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) habe er eine Trauerfeier für alle neun Opfer gehalten. Und nach einem Zugunglück habe er eine ganze Familie verabschieden müssen, erzählt der Sozialpädagoge: «Zwei große Särge, zwei kleine Särge. Das ist sowas, wo man lange braucht, um wieder Luft zu kriegen.»


(dpa)

(dpa)